Ein rauschendes Literaturfest

Die Wuppertaler Literatur-Biennale 2016 geht zu Ende

von Jürgen Kasten

Wuppertaler Literatur-Biennale 2016
Ein rauschendes Literaturfest
 
Fast ist sie vorbei, die 3. Wuppertaler Literatur-Biennale, und schon jetzt sind sich die Organisatoren, Mitwirkende und Publikum einig: Ein wahrlich rauschendes Literaturfest mit großartigen, fast immer ausverkauften Vorstellungen. Hier einige kurze Betrachtungen:
Sonntag, 29. Mai, 11.30 Uhr, Immanuelskiche. „Die große Wanderung“, Texte von Schauspielern vorgetragen, szenisch eingerichtet von Gerold Theobalt und moderiert von Hajo Jahn.
„Der Pass ist der edelste Teil von einem Menschen. ...“ Nina Hoger und der immer noch mit großartiger Stimme aufwartende Hans Richter lasen „Flüchtlingsgespräche“ von Bertolt Brecht. Angela Winkler und Bernd Kuschmann Ansichten Hans-Magnus Enzensbergers zum Thema.
Dazu die raumfüllende Stimme Ron Williams, der gleich zu Beginn die „Friedenshymne“ schlechthin, John Lennons „Imagine“ mit Klavierbegleitung von Michael Ruff darbot. Nicht wenigen trieb es Tränen in die Augen. Zwei Textzeilen:
„Stell dir vor, all die Leute lebten ihr Leben in Frieden. …
Stell dir vor, all die Menschen sie teilten sich die Welt, einfach so!“

Am Nachmittag im Theater am Engelsgarten „In unserer Mitte“. Seit Monaten treffen sich syrische Flüchtlinge mit Wuppertaler Autoren. Eine Initiative der Intendantin Susanne Abbrederis, des Autors Hermann Schulz und des Integrationsbeauftragen Helge Lindh. Was die Flüchtlinge zu erzählen hatten, wurde nicht literarisch umgesetzt, wie Moderator Torsten Krug erklärte, sondern unkommentiert und nicht immer politisch korrekt stehen gelassen. Auch hier als szenische Lesung von Schauspielern vorgetragen. Zu hören waren bewegende Aussagen über erlittene Gewalt, Unterdrückung und Schmach, Flucht und Abwehr an den Grenzen. Schließlich Ankommen in Deutschland, Dankbarkeit und Bitternis gleichermaßen. Dankbarkeit über die Aufnahme in einem fremden Land, Bitternis über die Tatsache, dass man keine Arbeit habe und die Sprache nicht, noch nicht, verstehe.
Ein sehr berührender Nachmittag.


Preisträger Stefan Etgeton, Dagmar Fretter Kunststiftung NRW Foto © Jürgen Kasten 

Am Abend dann im ADA die Preisverleihung der Wuppertaler Literatur-Biennale. Der Preis wurde ausgeschrieben für junge Autoren aus dem deutschsprachigen Raum, gefördert von der Kunststiftung NRW. Leider wurde die Veranstaltung fast nur von Fachpublikum besucht. Die aber hörten wahrlich preiswürdige Kurzgeschichten, wiederum von Schauspielern vorgelesen. Kraftvoll, dramatisch, poetisch. Um Deutschland als Land der Dichter und Denker braucht man sich angesichts solcher Autoren keine Sorgen machen. Den Hauptpreis gewann Stefan Ferdinand Etgeton aus Berlin mit „Gestern die Welt gestern“, einer Reise in die Vergangenheit des belgischen Heimatstädtchens und dem Erkennen der Vergänglichkeit der Orte und Erinnerungen.
Förderpreise erhielten Helene Bukowski aus Hildesheim und Yannic Han Biao Federer aus Bonn. Alle Geschichten sind in der neu aufgelegten Literaturzeitschrift „Karussell“ nachzulesen.
Die wurde bereits am vergangenen Freitag ebenfalls im ADA vorgestellt, moderiert von den Redakteuren Dieter Jandt, Torsten Krug und Andreas Steffens, musikalisch begleitet von dem Duo Aciano. Auch dieser Abend voller Höhepunkte, zum Beispiel der Vortrag der jungen Duisburger Autorin Lütfiye Güzel oder des in Frankreich lebenden Wolfgang Butt. Er, Autor und Übersetzer skandinavischer Literatur, u.a. aller Henning Mankell-Romane, hatte es sich nicht nehmen lassen, hier in seiner Geburtsstadt „Die Eingeborenen von Trizonesien“ vorzulesen, eine Geschichte aus dem Elberfeld der Nachkriegszeit.
Als vorläufiges Fazit bleibt festzuhalten, daß international bekannte Autoren das Literaturfestival in Wuppertal aufwerteten, sich die regionalen Autoren aber nicht  dahinter verstecken mußten. Sie lasen und erzählten auch vor vollen Häusern und begeistertem Publikum.
Das Fest endet am 04. Juni mit dem Auftritt des deutsch-iranischen Autors Navid Kermani in der Unterbarmer Hauptkirche. Wie zu vernehmen war, ist sein Abend bereits restlos ausverkauft.


v. lks.: Michael Ruff, Ron Williams, Nina Hoger, Hans Richter, Angela Winkler, Bernd Kuschmann, H. Jahn - Foto © Jürgen Kasten