Linke Haare, rechtes Geld

von Hanns Dieter Hüsch

© Jürgen Pankarz

Linke Haare, rechtes Geld
 
Neulich hat mein Frau zu mir gesagt, samma, wann war eigentlich die Zeit, wo du die Haar so lang getragen hat? Ich hab da neulich son paar alte Fotos von dir gefunden mit den langen Haaren bis auf de Schulter, wann war das eigentlich?
Weiß ich nich mehr, hab ich da gesagt. An die Zeit willze wohl nich mehr erinnert werden, hat da mein Frau gesagt. Wat soll denn de Blödsinn jetzt, hab ich da gesagt. Weil ich damals schon gesagt habe, dat steht dir nich dat lange Haar bis auf de Schulter, dat bis du nicht, hab ich gesagt, weisse noch? Dat bin ich wohl oder dat war ich wohl, hab ich da gesagt, damals jedenfalls. Ja un heut, hat da mein Frau gefragt. Heut bin ich ja auch älter un dat Haar is weg, aber die Gesinnung is immer noch wie damals, nur daß ich eben nich mehr auf de Barrikaden geh, mit son Sprechtüte vorm Mund un de Revolution ausrufe. Da wärsse auch schön blöd, hat da mein Frau gesagt, un so wie de jetz aussiehst, ohne die langen Haar, siehsse auch viel netter aus. Dat hat doch damit gar nix zu tun, hab ich da gesagt, ich bin heut eben nur reifer, un de größte Tugend des Revolutionärs, hat Rosa Luxemburg gesagt, is die Geduld. Aber damals, vor 20 Jahr, bei de Apo, da wolltet ihr alles von heut auf morgen auf em Kopp stellen, da habt ihr kein Geduld gehabt.
Da waren wir ja auch noch jünger, hab ich da gesagt. Un ärmer, hat da mein Frau gesagt. Das auch, hab ich da gesagt, aber sag mal, worauf willst du eigentlich hinaus, willst du mir vielleicht so kurz vor Weihnachten meine Vergangenheit vorwerfen? Im Gegenteil, hat da mein Frau gesagt, ich will dir deine Gegenwart vorwerfen, denn du müßtest heut eigentlich schon ein Landgut in der Nähe von Nizza haben und zu den kapitalen Erfolgsmännern gehören, un wat de früher bei de Apo gemacht hast, musse alles nur aus Jux un Dollerei gemacht haben, statt dessen bastelst du immer noch im Stillen daran rum, wie man de Menschheit von heut auf morgen menschlicher machen kann.
Nich von heut auf morgen, hab ich da gesagt. Un wenn de mir schon mit Rosa Luxemburg inne Quere kommss, mein Lieber, Goethe hat schon gesagt, diesem düsteren Geschlecht ist nicht zu helfen, du has eben die Zeichen der Zeit nicht verstanden, du hättest längst mit den alten Genossen abrechnen und ein kühl rechnender Überzeugungskapitalist werden müssen.
Sag mal, was Willst du eigentlich, wir leben doch gut. Ja, gut von der Hand in den Mund, aber ein richtiger linker Apo-Revolutionär, der früher Steine gegen Springer geschmissen hat, der muß heute ein zynischer Geldmensch sein, der bei Kündigungen immerhin eine zweistellige Millionensumme als Abfindung verlangen kann, hab ich alles gelesen.
Sag mal, hab ich da gesagt, dat nimmst du doch nich ernst. Nee, hat da mein Frau gesagt, ernst nich, aber übel. Klar, sag ich, wir hätten damals einen linken Second-Hand-Laden aufmachen sollen, dann hätten wir heute ganz bestimmt ein rechtes millionenschweres Modehaus. Aber, hat da mein Frau gesagt, dein Vater war ja auch keine Börsensyndikus, sondern ein kleiner Beamter, da konnte ja nix Extremes entstehen, gucke mal, hat se da gesagt, die Söhne von ausgezeichneten Verbrechern werden meist ausgezeichnete Polizisten und umgekehrt. Meinzeit, hab ich da gesagt, wat ihr Frauen alles wißt. Ja, hat da mein Frau gesagt, un ich hab auch immer gewußt: Da gehörst du nich hin, trotz der langen Haare, das bist du nicht, un ich weiß auch warum.
Ich auch, hab ich da gesagt, nämlich, weil ich immer versucht hab, Goethe mit Rosa Luxemburg zu verbinden, denn vielleicht is dieses düstere Geschlecht doch noch mit viel Geduld zu retten. Da hat mein Frau ausnahmsweise mal gesagt: Weiter so!
 

© Chris Rasche-Hüsch
Veröffentlichung aus "Zugabe" in den Musenblättern mit freundlicher Genehmigung
Die Zeichnung stellte freundlicherweise Jürgen Pankarz zur Verfügung.