Unbekannten Aufenthalts

von Joachim Klinger

Unbekannten Aufenthalts
 
Morgenstern und Ringelnatz
haben ihren festen Platz
überall in Bücherschränken.
Doch sie selbst sind andernorts,
schnell nach Art des Fußballsports
mal im Spiel und mal auf Bänken.
 
Manche wähnen sie im Hades
im Verfahren dritten Grades
oder auf dem Flusse Styx.
Andere: im Kreis der Musen,
wo sie mit den Nymphen schmusen,
eingedenk des Erdenglücks.
 
Nur das Mondschaf, ungemolken
und versteckt in Abendwolken,
sah sie im Kometenschweif:
Himmelfarben die Gewänder,
an den Füßen bunte Bänder,
auf dem Rücken Sternenreif.
 
Doch wer mag ihm Glauben schenken?
Selbst der Mondmann hat Bedenken,
weil das Mondschaf heftig schielt.
Der Bericht des Großen Bären
bleibt zu sehr im Ungefähren,
interviewt man ihn gezielt.
 
Also muß man sich bescheiden.
Allenthalben sind die beiden -
wie Gesellen auf der Walz.
Auch muß man der Post verzeihen,
daß sie schreibt, die beiden seien
„unbekannten Aüfenthalts“.
 
 
Joachim Klinger
 

Aus: Joachim Klinger: „Morgensterns Kater, Ringelnatzens Pinguin“, Grupello Verlag