Die Erfindung des Buchdrucks

Gutenberg / Erstürmung einer mittelalterlichen Stadt - Trickfilme der Gebrüder Diehl

von Frank Becker

Die Erfindung des Buchdrucks
und
Die Erstürmung
einer mittelalterlichen Stadt
 
In einer Zeit, in der die Bedeutung des Handgeschriebenen und des klassisch Gedruckten für große Teile der jungen Generation durch den Umgang mit elektronischen Medien mehr und mehr zur „terra incognita“ wird, erscheint es besonders wichtig, Wissen um Erkenntnisse und Errungenschaften auf diesem Sektor zu erhalten und zu vermitteln. Denn wie heute immer neue Smartphones und Apps mit ihren Möglichkeiten den sozialen Umgang und das Angebot an Wissen beinahe minütlich verändern, war die Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen einzelnen Metall-Lettern und der Buchdruckerpresse 1450 durch Johannes Gutenberg eine grundlegende Revolution der Verbreitung von Wissen, die das Bildungs- und Wissensprivileg kirchlicher und feudaler Kreise aufhob. Alle Neuerungen auf diesem Sektor seither fußen auf Gutenbergs Erfindung. Die Möglichkeit, Wissen, Literatur und auch Propaganda weiten Kreisen zugänglich zu machen, hat die Welt ein für alle Mal verändert. Zudem wurde die Gestaltung von Büchern zu einer künstlerischen Disziplin, in der Papiermacher, Schriftgießer, Setzer, Illustratoren, Drucker und Buchbinder ihr Können zu einer brillanten Einheit verbinden konnten – das Buch als Gesamtkunstwerk. Niemals wird ein E-Book oder ein intelligentes Mobiltelefon den haptischen Genuß eines Buches ersetzen können.
 
Ein hervorragend mit Detailtreue und Sorgfalt animierter Puppentrickfilm aus der Werkstatt der Gebrüder Diehl aus dem Jahr 1960 erzählt in 13:30 Minuten in zeitangemessener Sprache und Diktion die Geschichte Gutenbergs und erklärt das System der beweglichen Lettern eingängig. Das sei ein Plus gegenüber vielen anderen Publikationen zum Thema, sagt Produzent und Herausgeber Wolfgang Dresler von Tacker Film, und man kann ihm Recht geben. Der Film ist eine Perle dieses Genres. Für den Trickfilm wurden spätgotische Räume und Werkstätten ebenso naturgetreu nachgebildet wie das Modell der ersten Buchdruckerpresse. Der „Gutenberg“-Film ist eine dringende Empfehlung der Musenblätter zum Einsatz im Schulunterricht, denn er entschleunigt im Zeitalter hektischer Clips die Betrachtung. Der Erfolg ist, daß er sich nachhaltig einprägt.
1997 wurde Gutenbergs Buchdruck vom US-Magazin Time-Life zur bedeutendsten Erfindung des zweiten Jahrtausends gewählt, und 1999 kürte das amerikanische A&E Network den Mainzer zum „Mann des Jahrtausends“.
 
Ein zweiter außergewöhnlicher Film aus den Diehl-Werkstätten ist der ebenfall für den Schulunterricht, hier im Fach Geschichte geeignete Stummfilm „Erstürmung einer mittelalterlichen Stadt um das Jahr 1350“ aus dem Jahr 1943 (Veröffentlichung 1944). Im Mittelalter, einer Zeit der Kleinstaaterei und Stadtstaaten mußten sich Städte gegen Plünderer oder Machtansprüche benachbarter Burgherren verteidigen. Besonders wirtschaftlich florierende Städte weckten die Begierde fremder Truppen. Deswegen waren die meisten Städte von hohen Befestigungsmauern und Gräben umgeben. Der Puppentrickfilm zeigt die Eroberung einer Stadt vor der Erfindung von Schießpulver und Schußwaffen mit einer detailgetreuen Darstellung der mittelalterlichen Waffentechnik. Der völlig sachliche und zu dieser Zeit erstaunlicherweise völlig unpolitische Film vermeidet jede Parteinahme, weder für die Angreifer noch für die Belagerten.
In einem Extra sind auf der DVD eine Dokumentation mit Erbe Anton Diehl zur Geschichte der Puppentrickfilme der Brüder Ferdinand, Paul und Hermann Diehl und ein Filmtrailer mit Ausschnitten einiger ihrer wichtigsten und berühmtesten Produktionen zu sehen, darunter Märchenfilme, Max und Moritz und der berühmte Igel Mecki, der später durch die Rundfunkzeitschrift „HÖR ZU“ zur beliebtesten deutschen Comic-Figur der 50er und 60er Jahre wurde.
 
„Gutenberg“ (1960) / „Erstürmung einer mittelalterlichen Stadt“ (1943)
© Diehl Film 1944/1960 / 2016 Tacker Film / Filmmuseum Frankfurt/M. ,
1DVD, Gesamtzeit 49 Minuten
Regie: Ferdinand Diehl /Postregie: Wolfgang Dresler
 
Weitere Informationen:  www.tackerfilm.de