Der anthroposophische Notausgang

von Erwin Grosche

Foto © Harald Morsch

Der anthroposophische Notausgang

Auf Schloß Hamborn gibt es einen Notausgang, den man von innen abschließen muß, damit er von außen nicht geöffnet werden kann. Obwohl man also diesen Notausgang von innen öffnen kann, es ist ja auch ein Notausgang, ist er von außen trotzdem abgeschlossen. 
„Ich habe das schon tausendmal gemacht“, beichtete mir die Bedienung im Alten Café. „Immer, wenn ich nachprüfen will, ob ich die Tür auch richtig abgeschlossen habe und deswegen die Tür von innen öffne, wird mir sofort klar, daß ich sie nun erneut abschließen muß, damit von außen niemand reinkommen kann.“ Ich sagte ihr, daß dieses sonderbare Sicherheitssystem auch etwas Beunruhigendes hat. Es bleibt ein Zweifel. Man muß doch wissen, ob etwas offen ist, gerade wenn man es abgeschlossen hat. Man kauft doch auch keinen Kuchen, der dann doch nur nach Brot schmeckt. „Ach“ sagte sie. „Das haben wir alles schon gehabt.“ Später ging ich dann durch den Notausgang und sagte im Café wie abgesprochen, Bescheid, daß man nun die Tür wieder von innen abschließen könne, damit von außen alles gesichert ist. So der größten Not entkommen, war ich doch ein wenig furchtsam geblieben. Ein Notausgang sollte von beiden Seiten zu öffnen sein. Gefahren lauern nicht nur Draußen, sondern auch Drinnen. Es ist nicht nur das Fremde, das wir fürchten müssen, sondern auch das Bekannte fordert uns heraus. Wer in Not ist, nimmt jede Hilfe an, die er kriegen kann, dafür muß ein Notausgang von beiden Seiten zu öffnen sein. Ich weiß nicht wie andere Weltanschauungen dieses Problem lösen. Aber ich bin mir sicher, daß Steiner das so nicht gewollt hätte.     
 
 
© Erwin Grosche