Terry Fox – Elemental Gestures

Aus der Zeit von Performance, Action, Klängen, Installationen und Happening

Red./Bec.

Terry Fox Immersion, 1973 - Foto: Thys Schouten
© Estate of Terry Fox, Köln
Terry Fox – Elemental Gestures
Performance, Action, Klänge, Installationen, Happening
 
11. September 2016 – 19. Februar 2017
im Von der Heydt-Museum Wuppertal
 
Terry Fox (1943 Seattle - 2008 Köln) war eine der wegweisenden Künstlerpersönlichkeiten der 1960er und 1970er Jahre und gehört bis heute zu denjenigen, die von Künstlern hoch geschätzt werden, dem breiten Publikum aber kaum bekannt sind. Künstlerisch zunächst vor allem in Kalifornien beheimatet, war Fox auch mit der Kunstszene in Nordrhein-Westfalen eng verbunden. Neben Joseph Beuys, Wolf Vostell oder Nam June Paik zählt er zu den wichtigsten Vertretern der frühen Performance- und Video-Kunst. In Installationen und Street-Events lenkte er die Wahrnehmung auf Alltagsphänomene und Aspekte sozialer Existenz. Er erforschte Energien von Stoffen und Materialien, wobei der Klang eine zentrale Rolle spielte. Ab den 1980er Jahren komponierte Terry Fox aus Objekten, Sprache und akustischen Phänomene vielschichtige „Raumbilder“. Elementare Gesten, Schrift- und Bildzeichen sowie Alltagsmaterialien verbinden sich in den Arbeiten von Terry Fox zu einem alle Sinne ansprechenden „Werk“. Neben dem Foto- und Videomaterial, das von der Akademie der Künste Berlin erstmalig in diesem Umfang bearbeitet wurde, zeigt das Von der Heydt-Museum Fox‘ skulpturale Werke sowie seine vieldeutigen Schriftarbeiten der 1990er Jahre. Die Ausstellung ist eine Kooperation der Akademie der Künste, Berlin, mit dem BAM (Musée des Beaux-Arts Mons), dem Von der Heydt-Museum Wuppertal und dem Kunstmuseum Bern, kuratiert von Arnold Dreyblatt und Angela Lammert, Berlin, gefördert von der Kunststiftung NRW.
 
 
Körperliche Zustände / situations
Terry Fox gehörte um 1970 zu den Hauptvertretern der Performance-Szene der San-Francisco-Bay-Area und gilt als Wegbereiter der amerikanischen Body Art und Konzeptkunst. Um Räume mit Energie aufzuladen, nutzte er den eigenen Körper als Medium für psychische und physische Grenzerfahrungen. Die physikalischen Aspekte des Geschehens, etwa eine Kerze oder der Klang, waren für ihn weitere Mittel, um Energie freizusetzen und in Bewegung zu halten. Er verwandte wiederholt den Begriff „situations", um im Unterschied zu gebräuchlichen Kategorien wie Performance und Installation dem Warenwert einer Veranstaltung mit Eintrittspreis entgegenzuwirken. Auch sein Künstlerfreund Tom Marioni, der Gründer des Museum of Conceptual Art, San Francisco, zog dem in Europa verwendeten Begriff der Performance den der Aktion vor, um eine begriffliche Nähe zum Schauspiel zu vermeiden. „Situations" erschienen Fox im Unterschied zu den klassischen Medien die Möglichkeit zu eröffnen, seine Kunst überall zu realisieren, sie einfach und unmittelbar funktionieren zu lassen. Sein Anliegen war es, in einfachen skulpturalen Handlungen - Elemental Gestures - die Wechselwirkung von Substanzen und Energien unterschiedlicher Aggregatzustände in ein ästhetisches Erlebnis zu verwandeln. Dabei war es nicht sein Ziel, möglichst viele Menschen zu erreichen. Performancekunst wird für die Leute gemacht, die dabei sind, heißt es bei ihm.


Terry Fox, Selfgovernment, 1991 - Foto © Frank Becker
 
Material/ Phänomene
Charakteristisch für die Arbeitsweise von Terry Fox ist die teilweise unorthodoxe Verwendung einfacher, „armer“ Materialien, die er in unterschiedlichen Zusammenhängen immer wieder neu einsetzt. Zu seinen Materialien gehören Staub, Feuer, Wasser und Licht ebenso wie Mehl, Kerzen, Streichhölzer, Schüsseln, Löffel, Gabeln, Taschenlampen oder eine leere Fischdose. Sie werden in Beziehung zu den sinnlich-unmittelbaren Zustandserfahrungen des eigenen Körpers gesetzt. Darüber hinaus fungieren besonders in der frühen Zeit Fische als Elemente der Vergänglichkeit. Auch Blut und Urin tauchen wiederholt in seinen Arbeiten auf. Fox interessierte sich für die Umwandlung von Klangwellen in geometrische Muster (Chladni-Figuren) ebenso wie für Messinstrumente von Erdbeben. Klang und Text waren für ihn skulpturale Elemente.

 
 Terry Fox, Children's Tapes 1974 © Estate of Terry Fox, Köln
 
Chiffren und Zeichen
Anfangs hat Terry Fox in seinen Performances die Sprache weitgehend vermieden, denn sie sollten universal verständlich sein. Dennoch haben längere Texte in seinem Werk von Beginn an eine Rolle gespielt, wie aus seinen frühen Werknotizen zu erfahren ist. Anfang der 1980er Jahre wurde in seinen schriftbasierten Zeichnungen und Objekten die Sprache zum zentralen Anliegen der künstlerischen Arbeit. Politische Brisanz von Schlagzeilen aus Zeitungen, Rätselreime und Wortspiele dominieren seine Textarbeiten. Dabei geht es ihm um Transformationen und um die Verlangsamung in der individuellen, zeitaufwendigen Anstrengung der Leseperformance.


Terry Fox Schlangenei 1990 - Foto ® Frank Becker
 
Labyrinth
1972 entdeckte Terry Fox in der Kathedrale von Chartres ein Fußbodenmosaik in Form eines Labyrinths. Fox verstand das Labyrinth nicht als Irrgarten, sondern als optimistische Botschaft, sich auf dem Weg nicht zu verlieren. Die spezifische Geometrie des Labyrinths mit 552 Schritten, 11 Kreisen und 34 Kehren wurde für ihn zum Symbol der Selbstfindung des Menschen und zum gedanklichen Ausgangspunkt zahlreicher Objekte, Performances und Zeichnungen der folgenden Jahre. So erstellte er ein Gipsmodell des Labyrinths aus Chartres, das er in mehreren Aktionen, Videoarbeiten und Fotografien einsetzte, um über den Tastsinn und Unschärferelationen weitere Erkenntnisse zu gewinnen. Fox fand heraus, daß sich unter der Kathedrale in einer Tiefe von 37 Metern ein unterirdischer Fluss befindet und daß die Spitze des Bauwerks über dem Bodenmosaik dieselbe Länge misst. Der zyklische Rhythmus der Bewegung im Raum verändert die Erfahrung von Raum und Zeit und kann als Instrument fungieren. Aber es war nicht nur das Labyrinth als konkrete Form des Weges, das ihn interessierte. Anfang der 1980er Jahre kartografierte er die Berliner Mauer durch ein „Sound-Mapping". Abgeschrittene Pfade bei Tag und Nacht, Verläufe von Licht und Schatten oder das Suchen eines Weges mit dem Blindenstock - Themen, die in einigen Videos und Klangarbeiten auftauchen - assoziieren Lebenswege, die jeder für sich selbst entdecken kann.
 

Instrument  to be played by the movement of the earth, 1987 - Foto © Frank Becker

Raum als Instrument
Klang war für Terry Fox eng an die Performance gebunden. Er fasste den Klang eher skulptural als musikalisch auf und nutzte den Raum als Instrument. Schon in seinen frühen Videoarbeiten und Straßenaktionen war Klang Teil der Arbeit. Ein Violinbogen wird über eine Schale gezogen, die er unter einer Brücke positioniert. Geometrische Muster entstehen im Sand einer Schale durch den Klang. Das Geräusch eines Hubschraubers oder das Tropfen von Wasser wird zum Mitwirkenden und strukturiert eine Performance. Klaviersaiten, im Innenraum einer Kirche gespannt, werden zum Klingen gebracht. Vielleicht noch mehr als die Performance war der Klang für Terry Fox Mittel einer universalen Kommunikation.


Terry Fox, Isolation Unit 1972 - Foto Dietmar Kirves © Estate of Terry Fox, Köln
 
Zur Ausstellung erscheint im Verlag Kettler für nur 15 Euro ein umfangreicher, wissenschaftlicher Katalog (dt., engl., frz.) mit Texten von Angela Lammert, David Ross, Conny Lewallen, Arnold Dreyblatt, Lisa Steib Kathleen Bühler, Nikola Doll und Beate Eickhoff.
Die Ausstellung wurde ermöglicht durch: Kunst- und Museumsverein Wuppertal - Kunststiftung NRW - Brennscheidt Stiftung - Stadtsparkasse Wuppertal.


Ich sach da jetz ma nix zu... - Foto © Frank Becker
 

„So richtig zu kapieren ist er nicht…“ (Zitat)

Weitere Informationen: www.von-der-heydt-museum.de

Redaktion: Frank Becker