Friedas Geburtstag

von Hanns Dieter Hüsch

© Goldpfeil 1956
Friedas Geburtstag
 
Wenn die Frieda Geburtstag hat, feiern wir immer einen tollen Geburtstag.
Meistens haben wir dann kein Geld.
Und da die Frieda kurz vor Weihnachten Geburtstag hat, verschieben wir die ganze Schenkerei auf Silvester. Und an Silvester sind wir nie zu Hause, und ich sage: „Ostern ist ja auch noch ein Fest.“
So was fällt natürlich auf die Dauer auf, und im vorigen Jahre habe ich deshalb der Frieda zum Geburtstag eine prima Tasche geschenkt.
Ganz modern. Marke Goldpfeil. Nie wieder.
Die Frieda hat drei Stunden an einem Stück geheult.
Ungelogen.
An einem Stück: Wie konntest du nur so eine Tasche kaufen, wie konntest du nur so etwas tun, wenn man dich schon alleine losschickt, die hat doch mindestens 30 Mark gekostet, aber du … du, du kaufst einfach drauflos, du bist eben zu nichts zu gebrauchen, und die Tasche, was soll ich denn mit so einer Tasche, kannst du mir das mal sagen?
„Ich … ich wollte dich mal überraschen“, sagte ich, „ich … ich kann sie ja wieder zurückbringen, aber wie sieht denn das aus, und die Verkäuferin hat zu mir gesagt, wenn Sie schon eine nehmen, dann nehmen sie die da, die ist besonders apart, und da hab ich sie genommen; die anderen Taschen kosteten ja alle nur so an die 25 bis 30, und ich wollte mich doch nicht lumpen lassen ..., guck sie dir doch erst mal an, innen drin alles mit Wildleder und hier ein Portemonnaie ...“
„Ich kann mich darüber nicht freuen“, sagte die Frieda, „ich hab ja noch nicht einmal ein Kleid, das ich zu der Tasche anziehn kann, sag mir wenigstens, was sie gekostet hat.“
„Ich … öh, ich weiß es nicht mehr“, sagte ich, „das ging alles so rasch, weißt du, und als ich die Tasche gekauft hatte, bin ich ganz schnell gelaufen.“
„Warum denn das“, sagte die Frieda.
„Ich weiß es nicht“, sagte ich, „ich bin jedenfalls ganz schnell gelaufen, es war, glaube ich, so ein schöner Tag.“
„Es war gar kein schöner Tag“, sagte die Frieda.
„Gut“, sagte ich, „ dann war es eben kein schöner Tag.“
„Nein“, sagte die Frieda, „es war auch kein schöner Tag, was hat denn die Tasche gekostet?“
„Damit du es ganz genau weißt“, sagte ich, „die Tasche, die Tasche hat … öh, du gehst mir bald auf die Nerven!“
„Es geht ja auch gar nichts rein“, sagte die Frieda, „und wann gehn wir schon mal aus ?“
„Gut“, sagte ich, „dann … dann wird sie eben verschenkt, dann wird sie eben verschenkt, aus, Schluß, fertig!“
„Eine Armbanduhr wäre viel praktischer gewesen“, sagte die Frieda, „alles andere, aber so eine Tasche, ich könnte dich umbringen.“
„Ich dich auch“, sagte ich.
„Und ich kriege auch noch heraus, was sie gekostet hat“, sagte die Frieda, „sag doch selbst, so eine Tasche steht mir doch gar nicht, oder …?“ Ich sagte nichts mehr.
Da nahm die Frieda die neue Tasche, ging mit ihr ein paar mal auf und ab, und was meinen Sie, dieser Gang und dazu das verweinte Gesicht waren schon 78 Mark wert.
 
 
 Aus: Frieda auf Erden (1959) / Der Große Hüsch - Band 1 (2011)
 
© Chris Rasche-Hüsch/ Verlag Kiepenheuer & Witsch
Veröffentlichung aus "Der Große Hüsch, Bd. 2" in den Musenblättern mit freundlicher Genehmigung