Frieda und das Telefon

von Hanns Dieter Hüsch
Frieda und das Telefon
 
Wenn ich unterwegs bin und so durch die Welt reise, um damit mein Geld zu verdienen, und die Frieda dauernd zu Hause sitzt, weil die kleine Frieda dauernd in die Schule muß, dann heißt es: Schreib mal!
Aber meistens telefonieren wir. Wahrscheinlich, weil es teurer ist und man somit sein Geld am besten anlegt.
Wenn ich in Zürich in eine Telefonzelle gehe, um die Frieda anzurufen, sagen meine Freunde, wir kommen nach dem Kino wieder hier vorbei.
Tja, und dann wähle ich, werfe schon vorher drei Franken in den Kasten, und dann, dann stecke ich mir erst eine Zigarette an - man weiß ja nie, was inzwischen zu Hause passiert ist -, und dann geht das Feuerzeug nicht, und inzwischen hat die Frieda in Mainz den Hörer abgehoben und sagt zweiundzwanzignullneunundfünfzig, denn sie weiß ja nicht, wer ich bin; erst wenn ich ,Grüß Gott‘ sage, weiß sie, daß ich es bin, und dann schreit sie von weitem: warte mal, erst muß ich mir eine Zigarette holen.
Beeil dich, sage ich. In der Zwischenzeit repariere ich mein Feuerzeug; aber es brennt nicht.
Dann ist die Frieda wieder da und sagt: ich wollte gerade aus dem Haus gehn.
Wie geht´s, frage ich.
Es geht so, sagt die Frieda.
Mir geht’ s auch so, sage ich.
Deine Tochter muß eine Brille tragen, sagt die Frieda.
So, sage ich
Ja aber, sagt die Frieda, sie will nicht aussehn wie eine Lehrerin.
Was kann man da machen, sage ich.
Ich muß mit ihr zum Augenarzt, sagt die Frieda.
Sage ihr, rufe ich über dreihundert Kilometer, sie wäre mit Brille nochmal so schön.
Du hast gut reden, ruft die Frieda zurück, du müsstest sie mal sehn, sie hat geheult, das sind alles so Dinge, mit denen du dich nicht herumzuschlagen brauchst.
Jaja, sage ich.
Kannst mir wenigstens mal was nettes dafür sagen, sagt die Frieda.
Ich hab’ sie nicht verstanden. Was ist, frage ich.
Kannst mir Wenigstens mal was nettes dafür sagen.
Wofür, frage ich.
Daß ich mit deiner Tochter zum Augenarzt muß.
Ach so, ja, sage ich, jah … öh … hier ist gerade ein Volksfest.
Ist das alles, sagt die Frieda.
Nein, sage ich, Zirkus Knie gastiert auch hier.
Du bist ein sturer Hund, sagt die Frieda.
Wie kommst du auf Hund, frage ich.
Denk mal drüber nach, sagt die Frieda.
Du bist ein Gepardenbaby, sage ich.
Was ist denn das schon wieder?
Eine Tigerabart, sage ich.
Ich will keine Tigerabart sein, ich will deine Frau sein, der du mal was nettes sagen kannst.
Was soll ich dir mitbringen, sage ich.
Bring dich mit, sagt die Frieda, dann bin ich schon zufrieden.
Ja, sage ich, was ich noch sagen wollte …
Ja, dann sag es doch, sagt die Frieda.
Öh, ja, eigentlich wollte ich - hm -, ist Post gekommen? Es hat ein Herr Dr. Beyer-Eschenborn oder Eschenbach geschrieben, sagt die Frieda; er will die Kultur aufs Land
tragen, im Herbst, und ob du ihm dabei helfen wolltest; er meint, daß du der richtige Mann seist, die Leute aus ihrer Lethargie zu reißen, hat er wörtlich geschrieben; zahlen kann er natürlich nicht viel; aber er schreibt, moment … er schreibt: aber vielleicht wird Ihnen die Arbeit soviel Freude und auch Anregung geben, daß Sie darin die schönste Belohnung sehen.
Ich bekomme einen Lachkrampf. Die Frieda ebenfalls.
Ich hänge jetzt ein, sagt die Frieda, sonst wird´s zu teuer.
Ach was, sage ich, wir fahren dafür ja auch kein Auto.
Aber du hast mir ja sowieso nichts mehr zu sagen.
Das Wetter ist hier ganz schön, sage ich.
Es ist zum Aushalten, sagt die Frieda.
Tja, sage ich, ich wollte noch sagen, öh …  ich schreibe es dir.
Da kann ich ja lange warten.
Mach´s gut, sage ich, viele Grüße an alle, und sage dem Doktor, er soll nett zu meiner Tochter sein, sonst vergesse ich mich.
Und was soll ich dem Kulturonkel schreiben?
Schreibe, sage ich, daß ich im Herbst zu Schiff nach Frankreich führe, weil mir hierzulande die Luft zu dick würde.
Ja, dann alles Gute, gell, ich schreibe auch mal und öh … ich mach jetzt Schluß, hast du schon eingehängt?
Nein, sagt die Frieda.
Gut, sage ich, ich hänge jetzt ein.
Ich auch, sagt die Frieda.
Also, Tschüß.
Viele Grüße. Bis bald.
Schon dich, ruft die Frieda, treib keinen Raubbau.
Ja, sage ich, du aber auch nicht; jetzt hänge ich ein.
Ich auch, sagt die Frieda.
Es knackt. Sie hat eingehängt.
Ich sage nochmal: Hallo.
Ja, sagt die Frieda.
Ich dachte, du hättest eingehängt, sage ich.
Nein, mein Feuerzeug ist mir runtergefallen.
In meinem Feuerzeug ist kein Benzin mehr, sage ich.
Es wird Zeit, daß du nach Hause kommst, sagt die Frieda.
Dann sagen wir nichts mehr und hängen beide gleichzeitig ein.
Auf der Straße halte ich einen Mann mit einer brennenden Zigarette an. Er soll mir Feuer geben.
Wenn Sie so mit der Hand zittern, sagt er, kann ich Ihnen auch kein Feuer geben.
Entschuldigung, sage ich, aber ich habe eben einen langen Brief geschrieben und meine Hand ist daher etwas unsicher.
Ich ging weiter und dachte: Niemand macht so gut Benzin in mein Feuerzeug wie die Frieda.
 

 Aus: Von Windeln verweht (1961) / Der Große Hüsch - Band 2 (2011)

© Chris Rasche-Hüsch/ Verlag Kiepenheuer & Witsch
Veröffentlichung aus "Der Große Hüsch, Bd. 2" in den Musenblättern mit freundlicher Genehmigung