Auf spaßigem Weg zum Glück

Wuppertals „Der Zauberer von Oz“ vermeidet zu viel Kitsch

von Martin Hagemeyer

Foto © Claudia Kempf
Auf spaßigem Weg zum Glück

„Der Zauberer von Oz“ am Schauspiel Wuppertal
vermeidet zu viel Kitsch
 
Der Zauberer von Oz. Nach L. Frank Baum, Fassung von Peter Raffalt.
Premiere am 28.10.2016
 
Regie: Peter Raffalt – Bühnenbild: Dominique Wiesbauer – Kostüme: Cinzia Fossati – Musik: Julia Klomfass – Choreographische Beratung: Amy Share-Kissiov – Regieassistenz: Alexander Bangen - Fotos: Claudia Kempf
Besetzung: Dorothy: Dionne Wudu – Onkel Henry / Zauberer von Oz: Florian Hackspiel – Tante Em / Hexe des Westens: Anna Mitterberger – Hexe des Nordens / Glinda, Hexe des Südens / Porzellanprinzessin: Stefanie Smailes – Strohmann: Christian Bartels – Blechmann: Christopher Reinhardt – Löwe: Klaus Lehmann
 
Schön war das!
 
Schön war das! Es gibt ja Botschaften, die zur Phrase verkommen, besonders bei Kinderliteratur: Die weisen Lebenssichten eines Janosch sind längst vom „Merchandise“ vereinnahmt; und daß man laut Kleinem Prinzen „nur mit dem Herzen gut sieht“, mag stimmen, doch man hat es arg oft gehört. Auch „Der Zauberer von Oz“ ist anfällig für Übersättigung. Doch die Inszenierung von Peter Raffalt beim Schauspiel Wuppertal weiß das charmant zu umgehen. Unschön ist nur, daß dabei statt auf das Ensemble fast komplett auf Gäste (Ausnahme: Christopher Reinhardt) zugegriffen wird.
 
Ein Riesenerfolg seit Erscheinen des Romans schon 1900 und kaum später entstandener Musicalversion, lockt die Geschichte von L. Frank Baum mit Botschaften, die ebenso zeitlos sind wie eingängig: Sei du selbst! Steh zu deinen Gaben und Mängeln! Ein Wunder brauchst du nicht dafür. Mehr als das Mädchen Dorothy auf der Reise vom Zauberland nach Hause finden ihre drei Weggefährten zu dieser Einsicht, denen anscheinend allen etwas fehlt: Die Vogelscheuche hat keinen Verstand, der Blechmann kein Herz (so sagen sie, so sagt man ihnen), und der Löwe wünscht sich Mut. Die Pointe ist dann, daß auch der „Zauberer von Oz“ all das gar nicht herbeizaubern kann und die Lösung woanders liegt: in Selbsterkenntnis eben, Zufriedenheit und Freundschaft. Gut und wichtig ist diese Botschaft – doch lauert Penetranz so sehr wie Süßlichkeit.


Foto © Claudia Kempf
 
Aber der Abend weiß das zu umgehen. Regisseur Raffalt, der auch die zwei vorigen Familienstücke inszeniert hat, setzt Humor gegen Übersättigung, gerne kindlichen und verspielten. Dionne Wudu ist eine quirlige Dorothy, die die lahme Trockenwäsche ihrer Tante kurzerhand zum Springseilchen macht und auf „kurz“ auch schon mal „Hexenfurz“ reimt. Auch als die fiese West-Hexe (Anna Mitterberger) ihr schräge Tanzeinlagen in die Beine hext, macht sie das samt exotischer Optik nur noch vitaler. Unter den Ohrwürmern des Stücks sind dann zwar ein paar harte Kitsch-Kandidaten, „Somewhere Over The Rainbow“ allen voran. Der Titelsong der Truppe beim Wandern zur Smaragdstadt gerät aber schwungvoll und schmissig. Und wenn der Löwe (Klaus Lehmann) plötzlich ernst seine Feigheit besingt, nimmt er als Mikro doch spaßig seinen Schweif in die Hand. Überhaupt die Freunde: Strohmann wie Blechmann (Christian Bartels und Christopher Reinhardt) erschöpfen sich nicht im scheinbaren Defizit, sondern taugen zu echten Sympathieträgern.
 
Toll heute der Aha-Effekt, als der geheimnisvolle „Zauberer“ erstmals sichtbar wird und sich als Nerd am Schaltpult entpuppt. Letztlich ist auch er wohl einer, der auf einer schiefen Wahrnehmung aufbaut – bloß daß er nicht als schlapp gilt wie die Freunde, sondern als machtvoll. Den ganzen Abend um furchterregende Durchsagen bemüht, läßt Florian Hackspiel sich ertappen als klein mit Hut. Nicht nur hier bewährt sich übrigens die Bühne von Dominique Wiesbauer, die effektvoll Kulisse mit Projektionen kombiniert: Viel Grünes zieht da etwa hinterm Geschehen vorbei auf dem Weg in die Smaragdstadt (und bleibt zum Glück meist eher abstrakt statt illustrierend).

 
Foto © Claudia Kempf
 
Trotz Zauberei und gleich vier Hexen: So recht unheimlich wird es heute selten. Das kommt auch bei Kindermärchen ja durchaus vor, um dann im Kontrast zum Happy End umso harmonischer aufzugehen. Nein, dieses „Oz“ bleibt heiter, vermeidet das Schwarz-Weiß – und tappt vielleicht auch dadurch nicht in die Moralfalle.
 
Nächste Termine: 2., 3., 4., 8.-11., 30. 11., 1.12. je 10.00 und 12.30 Uhr im Theater am Engelsgarten. Außerdem 9., 16., 21., 22.12. um 18 Uhr im Opernhaus.
Weitere Informationen: www.wuppertaler-buehnen.de