Lyrik zu höherem Glanz gebracht

Oliver Steller / Bernd Winterschladen - „Dichterinnen – Spiel der Sinne“

von Frank Becker

 „Dichterinnen – Spiel der Sinne“
 
Das neue Lyrik-Programm von
Oliver Steller und Bernd Winterschladen
17 Autorinnen – 22 Gedichte.
 
Viele versuchen sich an der Rezitation und Interpretation von Gedichten, nur wenigen gelingt es. Was aber der charismatische Sprecher und Gitarrist Oliver Steller und der Saxophonist Bernd Winterschladen am 12. November bei der Premiere ihres jüngsten Programms und der Präsentation des gleichzeitig vorgestellten Albums „Dichterinnen – Spiel der Sinne“ mit unerhörtem Feingefühl aus der ausgewählten Lyrik gemacht haben, verschlug dem Publikum und gleichermaßen dem Kritiker den Atem. Hier wird nicht nur Lyrik in allerschönster Manier zelebriert und mit kongenialen Kompositionen aus Stellers Feder zu höherem Glanz gebracht, hier werden zwei Ausnahme-Künstler auf einzigartige Weise den vorgestellten 17 Dichterinnen gerecht. All die Stimmungen, die in der hohen Kunst der Lyrik schwingen und leuchten können, finden in der Doppelinterpretation von Steller/Winterschladen ihren nicht zu übertreffenden Ausdruck - ein jedes der Gedichte wird zum unvergeßlichen Ereignis.
 
Oliver Steller: „Wir beginnen im Jahr 1180 mit dem ältesten deutschen Gedicht „Du bis min, ich bin din“. Keiner weiß, wer es geschrieben hat, aber eins ist mittlerweile wissenschaftlich erwiesen. Es stammt nicht, wie lange Zeit angenommen wurde, von einem Mann. Nein! An der Wiege der der deutschen Dichtung steht eine Frau.“
 

Oliver Steller - Foto © Frank Becker
Dû bist mîn, ich bin dîn.
des solt dû gewis sîn.
dû bist beslozzen
in mînem herzen,
verlorn ist das sluzzelîn:
dû muost ouch immêr darinne sîn.
 
Wer Gemanistik oder auch Literaturwissenschaften studiert hat, ist an diesen Versen und deren analytischer Interpretation nicht vorbeigekommen. Oliver Steller singt es zur eigenen Komposition, vor dem zarten Hintergrund von Gitarre und Tenorsaxophon, voller Liebe und gänzlich unprätentiös, und er hat sein Publikum damit im Handstreich erobert. Von da an hängt man als Hörer an seinem Lippen, möchte keine Zeile, nicht ein Wort verpassen, weil man überzeugt ist, daß ein jedes von hohem Wert ist, was auch seine klugen Zwischentexte angeht, mit denen er auch auf der CD die Dichterinnen vorstellt und etwas über ihr Leben vermittelt.
 
Weiter geht es mit Anna Louisa Karsch (1722-1791), der ersten deutschen Dichterin, die von ihrer Dichtung leben und damit sogar ihre sechs Kinder ernähren konnte und die zu Lebzeiten so bekannt war, daß selbst der preußische König Friedrich II. auf sie aufmerksam wurde. 1773 macht er ihr ein gönnerhaftes Geldgeschenk von 2 Talern. Sie bedankt sich mit einem kühnen Vierzeiler:
 
Zwo Taler gibt kein großer König,
die vergrößern nicht mein Glück.
Nein, sie erniedern mich ein wenig,
drum geb ich sie zurück.
 
Das Gedicht „Harz-Moos“ der „Karschin“, wie sie anerkennend genannt wurde, hingegen ist von ergreifender Tiefe und Weisheit – Oliver Steller spricht es mit angenehm weicher, dennoch eindringlicher wie ausdrucksvoller Stimme wie kein anderer zuvor. Die gleiche Intensität von Wehmut, Zärtlichkeit, Froh- und Tiefsinn, Melancholie und Tiefe gibt er den folgenden Gedichten von Marie Madeleine („Champagne frappé“), Else Lasker-Schüler („Mein Tanzlied“), Mascha Kaléko („Für einen“), Hilde Domin („Unterricht“), Ina Seidel („Unsterblich duften die Linden“), Ingeborg Bachmann („Erklär mir, Liebe“), Karin Kiwus („Im ersten Licht“), Rose Ausländer (Nicht fertig werden“), Annette von Droste-Hülshoff („Am Turme“), Eva Strittmatter („Elmsfeuer“), Marie-Luise Kaschnitz („Am Strande“) und Ulla Hahn („Gibt es eine weibliche Ästhetik?“) mit.


Bernd Winterschladen - Foto © Frank Becker
Vor dem Winter
Ich mach ein Lied aus Stille
Und aus Septemberlicht.
Das Schweigen einer Grille
Geht ein in mein Gedicht.
(...)
Ich mach ein Lied aus Stille
Ich mach ein Lied aus Licht.
So geh ich in den Winter;
Und so vergeh ich nicht.

Eva Strittmatter (1930-2011)

Oliver Steller: „Manche Gedichte sind zu Liedern geworden, andere spreche ich über Musik und ein paar Gedichte rezitiere ich frei. Manchmal erzähle ich etwas zum Lebenslauf, manchmal aber auch nicht, weil die Themen Liebe, Vergänglichkeit oder Lust im Vordergrund stehen.“
Mit Rose Ausländer (1901-1988) beenden Steller und Bernd Winterschladen die perfekte Mischung ihres Programms aus Jazz und Lyrik:
 
Nicht fertig werden

Die Herzschläge nicht zählen / Delphine tanzen lassen / Länder aufstöbern
Aus Worten Welten rufen / Horchen was Bach zu sagen hat / Tolstoi bewundern
Sich freuen / Trauern / Höher leben / Tiefer leben
Noch und noch / Noch und noch / Noch und noch
Nicht fertig werden
 
Der Saxophonist und Baßklarinettist Bernd Winterschladen ist Oliver Steller dabei ein ebenbürtiger und kongenialer Partner, der die Texte an Tenor- und Sopransaxophon und an der Bassklarinette sensibel auslotet. Diese Lyrik-CD ist so berückend schön, zauberhaft und fesselnd, daß sie aus tiefstem Herzen unser Prädikat bekommt, den Musenkuß. Und den auch noch mit Sternchen.
Ich empfehle unseren Lesern das Album als perfektes Geschenk für ihre wirklich guten Freunde. Und wer die Chance hat, das Programm live zu erleben: Nicht versäumen!


Bernd Winterschladen / Oliver Steller - Foto © Frank Becker
 
Oliver Steller / Bernd Winterschladen - „Dichterinnen – Spiel der Sinne“
© 2016 Oliver Steller
Oliver Steller (Komposition, Gitarre, Texte, Sprecher) – Bernd Winterschladen (Tenorsaxophon, Sopransaxophon, Baßklarinette)
Der CD wird beim Kauf ein A2-Plakat mit allen Gedicht-Texten beigegeben.
 
Weitere Informationen über Auftritte und den Bezug der CD: www.oliversteller.de