"Zug der Erinnerung" in NRW

Bis Donnerstag in Duisburg, danach Essen, Hagen, Wuppertal, Aachen, Siegen, Wiehl, Düsseldorf

von Andreas Rehnolt
"Großer Bahnhof für fast vergessene kleine Nazi-Opfer"

"Zug der Erinnerung" macht bis Donnerstagabend am Duisburger Hauptbahnhof Station - Weitere Stationen im Februar sind Essen, Hagen und Wuppertal



Duisburg - "Eine Gesellschaft, welche die Fehler und ihre Missetaten der Vergangenheit vergessen will, ist in Gefahr, sie zu wiederholen." Rainer Bischof vom DGB-Bezirk Duisburg betonte am Dienstag beim Einlaufen des "Zugs der Erinnerung" auf Gleis II des Duisburger Hauptbahnhofs vor mehreren hundert Besuchern die Wichtigkeit der rollenden Ausstellung gerade für die jungen Menschen. Bischof, selbst Jahrgang 1958, konnte als Jugendlicher noch viele Augenzeugen der NS-Zeit nach den Greueltaten der Nationalsozialisten befragen. Heute seien die meisten Menschen, die diese Jahre miterlebt haben, tot, so der Gewerkschafter.

Erinnern und mahnen

Umso wichtiger sei es, an die Schreckenszeiten zu erinnern und zu mahnen. "Auch, um die jungen Menschen heute immun zu machen gegen die erneuten braunen Parolen der Rechtsradikalen", so Bischof. Seit drei Monaten ist die schwarze Dampflokomotive mit ihren drei Waggons unterwegs an deutschen Bahnhöfen, von wo aus die Nationalsozialisten europaweit rund eine Millionen Kinder von Juden, Sinti und Roma oder anderen Gegnern ihrer Politik in die Vernichtungs- und Konzentrationslager deportierten. "Es ist ein großer Bahnhof für fast vergessene kleine Nazi-Opfer", meinte am Dienstagnachmittag Henriette Wegner auf dem übervollen Bahnsteig des Duisburger Hauptbahnhofs, wo Zug und Ausstellung noch bis zum Donnerstagabend zu besichtigen sind.

Die Deutsche Bahn AG verlangt Gleisgebühren

Duisburgs Bürgermeisterin Doris Janicki hatte die Besucher begrüßt und mit tränenerstickter Stimme an die "unvorstellbar große Zahl der Kinder unter den Nazi-Opfern" erinnert. Zugleich übte Janicki scharfe Kritik an der Deutschen Bahn AG, die von dem Verein "Zug der Erinnerung" nach ihren Worten rund 70.000 Euro Gleisgebühren verlangt. "Diese horrende Summe ist der Deutschen Bahn AG, die ja auch Nachfolgeorganisation der Reichsbahn ist, unwürdig", so die Bürgermeisterin, die auch an den jahrzehntelangen Kampf um ein NS-Dokumentationszentrum in der Revierstadt  erinnerte. "Wir sind spät dran, wenn wir die Demokratie in unserer Stadt gegen Rechts auf den Weg bringen wollen", führte Janicki aus. Sie verwies darauf, daß alleine vom Duisburger Hauptbahnhof mindestens 130 Kinder mit Viehwaggons der Deutschen Reichsbahn in die Todeslager deportiert wurden.

Erschütternde Schicksale

Die erste Deportation von Kindern vom Duisburger Hauptbahnhof aus erfolgte nach den Worten des lokalen Historikers Ludger Heid am 27. Oktober 1941 nach Lodz, der letzte Transport in den Tod verließ den Bahnhof der Revierstadt am 25. Februar 1945 und endete in Theresienstadt. Im dritten Waggon sind einige Schicksale Duisburger Opfer ausgestellt, zudem hängt dort eine Liste mit allen namentlich bekannt gewordenen Kindern, die von der Revierstadt aus "die Reise ohne Wiederkehr" antreten mußten. Die kleine Chana Bloch etwa, die wenige Tage nach ihrem dritten Geburtstag nach Riga deportiert wurde oder Josefina Heisenerr, die in Auschwitz in den Gaskammern starb. Unter den Opfern waren auch Jakob und Berta Hillmann mit ihren Söhnen Edwin und Wolfgang und der Tochter Gisela. Das frühere Vorstandsmitglied der Synagoge in Duisburg-Ruhrort starb mit seiner Familie in Lublin.
Die wenigen Zeilen und die alten schwarz-weiß Fotos in den Eisenbahnwaggons gehen unter die Haut. "Daß die Bahn-Leute damals die Abfahrtssignale für die Todeszüge auf grün gestellt haben, kann ich nicht verstehen", sagte am Dienstag die 15 Jahre alte Simone Becker, die mit Freunden aus einer Jugendgruppe zum "Zug der Erinnerung" gekommen war. Der 16 Jahre alte Viktor erklärt, er habe unter seinen Freunden zwei Juden. "Ich möchte, daß sich alle dafür einsetzen, damit so etwas Grausames nicht mehr passieren kann", meinte der Jugendliche. Ein paar Besucher hatten am Dienstag Blumen mitgebracht, andere legten einen Stein mit dem Namen eines Opfers aus Duisburg in dem Waggon ab.

Die Stationen in NRW bis März

Noch bis Donnerstagabend steht der "Zug der Erinnerung" von 8 bis 19 Uhr am Gleis 2 des Hauptbahnhofs Duisburg. Danach wird er für zwei Tage in Essen Station machen, danach rollt die Ausstellung nach Hagen (24./25. Februar), Wuppertal (26. bis 28. Februar), Aachen (2. bis 4. März), Siegen (5. und 6. März), Wiehl (7. und 8. März). Vom 9. bis zum 13. März macht der "Zug der Erinnerung" dann am Hauptbahnhof der NRW-Landeshauptstadt Düsseldorf Station. Am (kommenden) Donnerstag wollen Superintendent Ulrich Lilie vom Evangelischen Kirchenkreis Düsseldorf und Ulrich Fleermann von der Mahn- und Gedenkstätte der Landeshauptstadt über das Rahmenprogramm und die Düsseldorfer Ereignisse informieren, die mit der Ausstellung im Zug angesprochen sind. Anfang Mai soll der Zug im Konzentrationslager Auschwitz ankommen.
Information über das Rahmenprogramm in Duisburg gibt es im Internet unter

www.jugendring-dusburg.de
www.zug-der-erinnerung.eu