Entschuldigungszettel

Ein Seufzer

von Frank Becker

Gefunden in: Menge "Repetitorium der lateinischen Grammatik und Stilistik", 1874










Wissen sie noch?

Es gab mal eine Zeit, in der ein Schüler einen Entschuldigungszettel
benötigte, wollte oder besser: mußte er mal ausnahmsweise dem
Schulunterricht fernbleiben. Mal abgesehen davon, daß heute Behörden,
Eltern und Schüler mit der allgmeinen Schulpflicht nicht nur nachlässig,
sondern beinahe vorsätzlich wirkend gleichgültig umgehen und viele
Schüler unkontrolliert oft tagelang schwänzen, ist der "volljährige", also
18 Jahre alte Schüler sogar berechtigt, sich selbst Gründe für sein
Fernbleiben zu bescheinigen. Da kann man nur den Kopf schütteln.
Das ist beinahe zum Lachen, jedoch zu tragisch, um wiklich komisch
zu sein.

Diesen Entschuldigungszettel hier fand ich in einem 134 Jahre alten
Latein-Repetitorium, anscheinend aus dem Besitz eines früheren
Gymnasial-Professors - mit Feder und schwarzer Tinte geschrieben und
offenbar von einem aufsichtführenden Lehrer (Praeceptor) eines Internats
an den Latein-Lehrer gerichtet. Ich werde ihn aufbewahren. Er ist kostbar,

als Erinnerung
an eine Zeit der Jugend, in der die Schule das wichtigste
verbindene Kapitel zwischen der Kindheit und dem "Ernst des Lebens"
war, in der Lehrer noch respektiert wurden und in welcher der Begriff
"Ordnung" (wir erinnern uns an die "Kopfnoten-Debatte") noch nicht
anstößig war...