Pikant

Louise de Vilmorin – „Liebesgeschichte“ (Histoire d`aimer)

von Frank Becker

Umschlagfoto: Nina Leen
Pikant

Was geschieht, wenn zwei Frauen – eigentlich enge Freundinnen – wie eine Naturgewalt die starke Neigung zu einem unerhört attraktiven Mann, zumal demselben, erfaßt, kann wohl am besten oder gar nur eine Frau nachempfinden und in einen Roman kleiden. Luise de Vilmorin (1902-1969) hat mit „Liebesgeschichte“ drei Jahre vor ihrem exzellenten Roman „Der Brief im Taxi“ die „Liebesgeschichte“ geschrieben, in der genau das geschieht – und schließlich noch eine Dritte auf das Carrousel d`amour springt.
Catherine Valle-Didier, eine attraktive, ja bildschöne verheiratete Frau und ihre gute Freundin, die nach gescheiterter Ehe ein „offenes Leben“ führende hübsche Marise Lejeand, werden während eines Urlaubs an Küste der Normandie mit dem von einem tragischen Geheimnis umgebenen Peter von L. bekannt gemacht, dessen Treue einer Frau gilt, die für ihn auf immer unerreichbar bleiben wird. Man verheimliche ihm, um ihn vor einem Zusammenbruch zu schützen, so seine Großmutter den Damen gegenüber, den Tod einer fernen Geliebten.
 
Natürlich, was auch sonst, entbrennen beide augenblicklich in glühender Leidenschaft für den bedauernswerten, überdies ausgesprochen attraktiven und charmanten Mann. Was sie selbstverständlich nicht zugeben. Die Zuwendung, die sich zunächst als gemeinsame Fürsorge für den anziehenden Kavalier ausgibt, entpuppt und decouvriert sich schnell als ein mit allen Listen und Tricks weiblicher Intrige geführter Kampf um dessen Gunst.
Der Leser (hier fehlt allerdings die Gegenprobe durch die Leserin) sieht sich vor das akademische Problem gestellt, Partei zu nehmen, verweigert das aber zum einen aus Neugier, zum anderen aus Gründen gebotener Neutralität und schließlich des weiteren aufgrund der von der Autorin geschickt plazierten Gewißheit, es werde anders kommen als von den beiden Damen gewünscht. So folgt man(n), auch nach einem absichtsvoll inszenierten Ortswechsel an die Gestade der Côte d´Azur, amüsiert dem erbitterten Gefecht der beiden Damen der Gesellschaft, denen Zug um Zug die Conténance abhanden kommt, während Monsieur von L. sich in vorbildlicher Haltung beiden gegenüber als untadeliger Gentleman verhält. Vollends turbulent wird das Geschehen, als auch noch Mme. Valle-Didiers jugendliche Tochter Clotilde reizvoll in das Ringen um Peters Gunst eingreift.
Doch es wird, der Leser ahnte es ja bereits, ganz anders kommen.

Ein Roman von herrlicher, kunstvoll geflochtener Sprache und ebensolcher (dennoch amüsant durchschaubarer) Handlung, sommerlich luftig, pikant, sinnlich und voller voraussehbar scheiternder Hoffnungen. Eine wunderbare Wiederentdeckung, von Patricia Klobusiczky köstlich ins Deutsche übertragen - eine Empfehlung der Musenblätter und unser Buch der Woche.
 
Louise de Vilmorin – „Liebesgeschichte“ (Histoire d`aimer)
Roman - Aus dem Französischen von Patricia Klobusiczky
© 2009 Dörlemann Verlag, 128 Seiten, Leinen, Lesebändchen - ISBN 9783908777-37-3
18,- € [D] / 18,50 € [A] / 25,- Sfr. (UVP)
 
Weitere Informationen:  www.doerlemann.com