... so richtig Gänsehaut erzeugend? Eher nicht.

„Split“ von M. Night Shyamalan

von Renate Wagner

Split
(USA – 2016)

Drehbuch und Regie: M. Night Shyamalan
Mit: James McAvoy, Anya Taylor-Joy, Betty Buckley u.a.
 
Es ist nicht ganz leicht, dem eher ausgelutschten Genre des Psychothrillers (mit Horrorelementen) neue Aspekte abzugewinnen. Immerhin, Regisseur M. Night Shyamalan ist es schon gelungen. Er hat auch schon enttäuscht. Mit seinem jüngsten Film, „Split“, gelingt ihm ein Mittelding.
Die Geschichte beginnt klassisch – drei fröhliche Teenager. Ein Mann steigt in ihr Auto, sprüht ihnen ein Betäubungsmittel ins Gesicht (er selbst zieht sich dabei schnell eine Schutzmaske über Mund und Nase) – und schwupp finden sie sich gefangen in unheimlichen Kellerräumen.
Immerhin hat sich Shyamalan als Alternative zum üblichen Bedrohungs- und Folterszenario nun etwas ausgedacht, was auf den ersten Blick überrascht: Hat James McAvoy sie als strenger Herr mit Brille entführt, erscheint er ihnen im Gefängnis wie ein anderer. Und kommt wieder. Wieder als ein anderer. Und wieder…
Dazwischen werden wir ziemlich schnell darüber aufgeklärt, worum es geht: Wir sehen diesen Mann, dessen Basisname „Kevin“ ist, immer wieder bei seiner Psychiaterin (Betty Buckley spielt sie als alte, ungemein engagierte Frau), und die spricht nun mit ihm über „Split“, die Spaltung, über seine multiple Persönlichkeitsstörung, wobei offenbar jede Gestalt, in der diese Kevin schlüpft, für ihn im jeweiligen Zeitpunkt echt ist. Die Frage besteht darin, welche Schattierungen des Bösen und Destruktiven schlimmstenfalls in seiner inneren Mutation wohnen.
 
Das Problem des Drehbuchs besteht nun darin, daß zu wenig geschieht. Von den drei gekidnappten Mädchen tritt Casey eindeutig in den Vordergrund, auch weil man in Rückblenden erlebt, daß sie sich schon als kleines Kind (als der Onkel sie verführen wollte) zu wehren wußte, weil sie sehr bald die Situation ihres Kidnappers begreift und damit umgehen zu sucht: Anya Taylor-Joy ist nicht nur hübsch, sondern wirkt auch ausreichend intelligent dafür.
Der Rest liegt bei James McAvoy, und es ist vermutlich der Traum eines jeden Schauspielers, ein Dutzend verschiedene Charaktere nicht in einem Dutzend Filmen verkörpern zu dürfen, sondern in einem einzigen. Natürlich helfen äußere Veränderungen, aber er holt tatsächlich jeden neuen „Kevin“ (23 sollen es sein, jeder mit anderem Namen und anderer Persönlichkeit) aus Gesicht und Sprache und macht das fabelhaft (ohne daß man allerdings seine verschiedenen Ichs wirklich kennen lernen könnte – aber will man es?).
Abgesehen davon läuft die Handlung langsam, voll von Wiederholungen, und die einzige Spannung besteht darin, daß man Kevin oder seinem jeweiligen Alter Ego alles zutraut und sich fragt, was kommen wird. Aber erst am Ende eskaliert die Geschichte, es gibt ein Blutopfer, aber so richtig Gänsehaut erzeugend, so richtig Nerven zerfetzend war es wohl nicht.
Im Gegenteil – ein eher sanft tremolierender Film mit Schlußpointe. Da nicht klar ist, ob Kevin wirklich weg ist, sucht man im Epilog mißtrauisch in jedem Gesicht, ob man ihn nicht wiedererkennt. Aber nein, der Mann, der an der Bar das Schlußwort hat, ist wirklich Bruce Willis: ein Dankeschön für den Regisseur, der seinen besten Film einst mit ihm gemacht hat. Das war 1999 „The Sixth Sense“, und etwas Besseres ist Shyamalan nie gelungen.
 
 
Renate Wagner