Electric Ladyland

Zepp Oberpichler & Tom Tonk – „Die Stones sind wir selber“

von Frank Becker

Electric Ladyland
oder
Als Verstärker noch Röhren hatten
 
Eigentlich konnte er Micky Maus nicht ausstehen, aber
für Donald Duck, der ebenfalls in diesem Heft wohnte,
nahm er auch das hässliche Kleinvieh in Kauf.
 
Er ist jung, trotz oder vielleicht wegen seiner bürgerlichen Erziehung unangepaßt, und er weiß, worauf er Lust hat: Bier, Bräute und Musik. Aber er weiß auch, worauf er überhaupt keine Lust hat: die Penne, das Abi, Eltern und Klavierstunden bei Frau Zothelmann. Theo Bornbeck ist ein Kind seiner Zeit, der herrlich verrückten 60er/70er Jahre, in denen Beat-Bands wie Pilze durch den Asphalt der Städte brachen, junge Leute das erste Mal nach 1933 und das letzte Mal vor den in den 90ern beginnenden spießigen Zeiten von heute aufbegehren und wirklich frei sein konnten. Wer damals dabei war, weiß es, wer nicht dabei war, dem muß man es erzählen. Unbedingt. Wie Zepp Oberpichler und Tom Tonk – beide Ende der 70er groß geworden - das in ihrem grandiosen Duisburger Ruhgebiets-Rock ’n’ Roll-Roman „Die Stones sind wir selber“ tun, ist schlicht und einfach genial.

Als Theo Willi Poppek trifft, wird die Richtung klar: er muß zu Hause raus, er muß eine Gitarre haben und er muß mit Willi Rock-Musik machen. Theo zieht bei Willi ein, „Schweiger“ Schulze kommt nach einem Fiasko in der Schule dazu, man gründet die Band „Diggin the Triggin“, die Stones und Hendrix sind ihre Götter, Woodstock ihr Maß und Ziel, Satisfaction und Purple Haze ihre Hymnen - die guten Zeiten können beginnen. Was braucht man auch schon viel? Ein Schlagzeug, eine Stromgitarre, einen E-Baß, Verstärker, Lambrusco, Sangria den einen oder anderen Kasten Pils, Pommes mit – und natürlich all die süßen Uschis, Petras, Inges und Gabis. „Diggin the Triggin“ starten durch. Man ließ zum Ärger der Altvorderen die Haare wachsen und sich als Gammler titulieren. Den Rhythmus und den Ton geben neben den Göttern The Pretty Things, B.B. King, The Yardbirds, Cream, The Who, Eric Clapton, John Mayall, John Lee Hooker, The Doors, Jethro Tull, Ten Years After, Joe Cocker, Canned Heat und Golden Earring an, die drei Jungs surfen und covern regional erfolgreich auf der heißen Rock-Welle und können sogar mit eigenen Titeln wie dem Kreiwehrersatzamt-Boogie beim Publikum landen. Die Stones werden sie selber, und zwar die besten - zumindest im Ruhrgebiet. Gruga-Park und Mercatorhalle kochen, die Gigs mehren sich.

Brian Jones war tot. (...)
In jenen Tagen hatte er stundenlang „Aftermath“ gehört, rauf und runter
und immer wieder von vorn. Keiner konnte Brians Tod begreifen.


Tonk und Oberpichler, selbst mit Band-Erfahrung und echte Ruhris, packen die realistische Handlung in gelungenes Zeit- und Lokalkolorit, den Generationen-Konflikt und in gut recherchierte Rock-Geschichte. Das hat alles Hand und Fuß, ob es die Arbeitsplatz-Beschreibung in Theos Maler-Lehre ist, die Hippie-Bewegung mit ihren weltverbessernden hageren Frauen mit hysterischen Stimmen oder das Erlebnis an der Supermarkt-Kasse in einer Zeit, als Deutschland noch Service-Wüste war. Dabei baden sie nicht in nostalgischer Schönrederei – sie erzählen humorvoll, wie es war. Und glauben Sie mir, so war es (ich war nämlich auch dabei). An dieser Stelle ein Gruß an meinen alten Kumpel Achim, an den ich während der Lektüre so oft denken mußte. Er lebt nicht mehr, aber er lebte wie kein anderer diese Zeit.
„Die Stones sind wir selber“ – Ein Roman über den ganz normalen Wahnsinn der 60er Jahre. Ein großspuriges Stück Lebenslust mit rotzfrechem Humor. Rock ’n’ Roll eben. – Das schreibt der Verlag zu diesem Roman. Mein Kommentar: So isses. Genau. Sehr zu empfehlen. Zepp Oberpichler und Tom Tonk haben sich damit unsere Auszeichnung verdient: den Musenkuß.
 
„We shall overcooo-ooo-ooome:“
Die Folkies auf der Bühne mühten sich redlich und
machten aus fransenbehangenen Gestalten einen
Fischer-Chor, der mit Sandalen und Peace-Zeichen
um den Hals gegen das Unrecht der Welt ankrähte
.
 
Zepp Oberpichler & Tom Tonk – „Die Stones sind wir selber“
Ein Roman mit Rock 'n' Roll im Blut und Blues auf der Seele

©2003 Henselowsky Boschmann, 240 Seiten, gebunden, Fadenheftung, Schutzumschlag
2. Auflage - ISBN 978-3-922750-45-1
14,90 €

Weitere Informationen:  www.vonnderuhr.de
  - www.youtube.com/watch?v=JmpJViVTVNs