Imi, opjepass!

Ein Streifzug durch die rheinische (Karnevals-)Kultur

von Konrad Beikircher

Konrad Beikircher - Foto © Frank Becker
Imi, opjepass!
 
Ich möchte, gerade weil ich Imi bin, diese wunderbare Gelegenheit nutzen, all den Imis, die bei diesem grandiosen Fasteleer nicht dabei sein können, den kölschen Karneval mal ganz dringend ans Herz legen.
Wobei, wo Sie grad sagen: Imi! -
ich möchte also all den Imis, die bei diesem grandiosen Fasteleer nicht dabei sein können, ein paar Tips geben, wie sie das erreichen können, was das ewige Fastelovendsmotto ist: In Kölle weet jebützt! Denn so klar das Motto ist und so sehr dieses Motto eine Liebeserklärung an jeden ist, der noh Kölle kütt, eines ist klar: es wird nun nicht jeder direk gebützt, nur weil er noh Kölle jekumme is.
Da muß schon noch jet dabei kumme. Er muß klar zu erkennen geben, daß er bereit ist, mit offenen Augen und offenem Herzen he hin ze kumme, weil: hier ist vieles anders als wies woanders und der Rheinländer hat nicht nur gute Erfahrungen mit den Imis gemacht, ich sage nur Preußen und dat janze Hohenzollern-Jesocks.
 
Wie die im 19. Jahrhundert die Idee hatten, das Rheinland verwalten zu wollen – wat en Idee! Do es schon der Römer dran jescheitert und der Antwerpes domols is auch keinen Schritt weiterjekommen und von der janzen Pax Romana is höchstens en Pizza romana übriggeblieben – da haben die sich ja tatsächlich vor den Rheinländer gestellt und versucht ihm den Begriff „präzise“ zu erklären. Präzise! Wo es im Rheinischen den Begriff „akkerat“ jitt, wovon der Preuße keine Ahnung hat! Die haben sich z.B. hingestellt und haben den rechten Winkel erklärt, so nohm Motto:
„Das hier ist ein rechter Winkel. Der rechte Winkel hat immer, ich betone: immer, präzise 90°. Keine 91°, keine 89°, nein, präzise 90°“
Da hat der Kölsche gesagt:
„Jo jot, präzise 90°. Nur: Paßt dat immer?!“
Wat ich meine, ist: der rheinische rechte Winkel is och ne rechte Winkel, er hat aber nicht präzise 90° sondern er hat akkerat 90°, das heißt: er hat mal 20° mal 120°, da muß man eben gucken. Akkurat heißt: elastisch genau sein, damit man die Theorie an die Wirklichkeit angepasst kritt, dat es dat Entscheidende.
Und von Wirklichkeit hat der Kölsche mehr Ahnung als es die Preußen in dem Berlin do hinge jemals haben werden, wie ja schon Konrad Adenauer gesagt hat:
„Wir leben alle unter dem gleichen Himmel, aber wir haben nicht alle den gleichen Horizont!“
Und zum Thema Berlin hat er gesagt:
„Wer Berlin zur neuen Hauptstadt macht, schafft geistig ein neues Preußen!“
Und zum Thema Wirklichkeit hat sich ein anderer Altbundeskanzler ebenfalls definitiv geäußert, Helmut Kohl, als er völlig richtig sagte.
„Die Wirklichkeit, meine Damen und Herren, stellt sich oft ganz anders dar als die Realität!“.
Loß die in Berlin mit ihrer Realität glücklich werden, der Rheinländer und der Kölsche setzen auf Wirklichkeit und den Artikel eins des rheinischen Grundgesetzes „Et es wie’t es“, weil: do stommer uns besser bei!
 
Das ist also schon mal wat, wat der Imi ablegen muß: den Gedanken, den Rheinländer seiner Welt anpassen zu können. So was spürt der Kölsche sofort, nein, direkt, und auch das ist etwas, was der Imi lernen sollte, wenn er hier wat werden will: die kölschen Zeitbegriffe:
„gleich“ heißt beileibe nicht „in ein paar Minuten“ sondern „in ein paar Tagen“, wenn überhaupts!
„Sofort“ heißt beileibe nicht „jetzt im Augenblick, ohne Verzug“ sondern „Hück nomedaach oder morje, ens luure!“
nur „direkt“ heißt „jetzt sofort, im Augenblick“.
Und wenn der Kölsche sagt „Ich komme direkt“ dann bedeutet das nicht, daß er keine Umwege fährt, sondern daß er quasi schon da ist! Solche Dinge sollte der Imi wissen, wenn er nicht alles mißverstehen will.
 
Also, leven Imi: willst Du in Kölle jebützt werden, dann laß dem Kölschen seine Eigenart und versuche nicht, ihn zum Preußen, Hanseaten oder Westfalen zu machen. Erstens klapp dat nit und zweitens wäre das der sicherste Weg, direkt die Rückfahrkarte für noh Bielefeld oder Berlin oder wat zu kriegen!
Zum Zweiten: Bleib im Zweifelsfall bei deiner eigenen Sprache – zu leicht kann es zu Fehlern kommen.
Wenn do ne Imi steiht und sich überlegt:
Wenn „büzze“ „küssen“ heißt, muß „Botz“ logischerweise „der Kuß“ heißen, also sagt er zur schönen Nachbarin:
„Ich hätt so gerne en Botz von Dir“
und muß sich dann anhören:
„Dann jang nohm Pluutemaat“, weil „Bütze“ zwar „Küssen“ heißt, „Botz“ aber „Hose“!
Merke: och wenn Ding Frau de Botz an hätt es sie zum Bütze schön!
 
Zum Dritten: bestimmte Wörter sollten für den Imi tabu sein, z.B. das Wort „herrlich“. Jetz es dat Wörtche „herrlich“ allerdings eines, das ohnehin einem ganz bestimmten Bereich vorbehalten ist, was übrigens zu einem meiner größten Erfolgserlebnisse überhaupt geführt hat und das war so:
1994 hatte mich das Festkomitee eingeladen, am Karnevals-Sonntag an einer karnevalistisch-kabarettistischen Matinee im Kölner Schauspielhaus (o Jott, dat ärme Schauspielhaus – dat wör auch noch ene Jeschichte wert!)mitzuwirken. Es war eine wundervolle Matinee, Millowitschs Pitter hat moderiert und das Schauspielhaus war bis auf den letzten Platz ausverkauft. Von mir hatte sich der Präsident insbesondere sprachliche Betrachtungen gewünscht, ich also eraus auf die Bühne und erzähl was über das Wörtchen „herrlich“. Ein Wörtchen, das im Grunde dem Karneval vorbehalten ist und da insbesondere den Sitzungspräsidenten. Unterm Jahr wird es höchstens verwendet, wenn einer einen guten Witz erzählt und man mit „Herrlich!“ kommentiert, aber ansonsten macht sich das Wort rar, um dann im Karneval plötzlich ständig präsent zu sein. Wenn z.B. der Präsident sagt
„Dat wor ne herrliche Vürdraag im herrlich geschmückten Saal he im herrlichen Gürzenich, ein herrliches Bild...“ etc.
Ich erzähl das alles und merke plötzlich: da unten tut sich nix. Evver och övverhaupt nix. Ich komme also zum Ende, verbeuge mich und geh unter spärlichstem Applaus von der Bühne. Ich hab mich gefühlt, als wär ich die Litschnummer bei dieser Matinee. Der Peter nimmt mich hinter der Bühne in die Arme und tröstet mich:
„Kumm, mach dir nix draus, so wat is schnell vergessen“ etc pp.
Dann, eine halbe Stunde später, kütt et Dreijestirn mit gewohntem Prunk ins Schauspielhaus und hat seinen großen Auftritt. Der Prinz nimmt das Mikrophon und begrüßt sein närrisches Volk „in unserm herrlichen Schauspielhaus an diesem herrlichen Vormittag...“ und was passiert? Die Lück do unge können sich vor Lachen nicht mehr halten. Wie die Drei dann hinter die Bühne kommen höre ich den Prinzen zum Peter sagen:
„Wat es dann hück los? De Lück sin jo vollkommen raderdoll...“. Wie gesagt: das war mein größter Erfolg!
Aber dat nur nebenbei.
 
Das Wichtigste überhaupt aber, was der Imi verstehen muß, wenn er in Kölle jebützt werden will, ist das intensive aber sehr spezielle Heimatgefühl, wat der Kölsche für sing Stadt hät. Was das bedeutet, kann ich Ihnen an einem Beispiel sagen:
Ein gutes Jahr her lese ich in einer großen Wochenzeitschrift eine Statistik über Urlaubsflüge. Von welcher deutschen Stadt aus gehen am meisten Flüge in den Urlaub und siehe da: Köln ist an erster Stelle. Von Köln aus gingen die meisten Flüge in Urlaubsorte. So weit so gut.
Nur: die Zeitung – aus dem süddeutschen Raum - hat sich nicht entblödet, das Ergebnis zu kommentieren und zwar nohm Motto: das wäre ja gut nachvollziehbar, Köln sei zwar eine reizende, aber keine schöne Stadt etc pp. Gut – Nord-Süd-Fahrt, zugegeben, aber ansonsten ist das eine Unverschämtheit. Habe ich auch direkt der Redaktion geschrieben. Und hab dabei geschrieben, daß die Zeitung damit zeigt, daß sie keine Ahnung von rheinischer und kölscher Mentalität und schon gar nicht vom Heimatgefühl des Kölners hat. Der Rheinländer fliegt nämlich nicht deshalb so oft weg, weil er so oft wie möglich aus Köln weg will, er fliegt deshalb so oft weg, damit er so oft wie möglich wieder zurückkommen kann, das ist das Geheimnis. Und wer das einmal erlebt hat, weiß, wovon ich spreche:
wenn Du ein paar Wochen in Urlaub warst, wat weiß ich: Malle oder Fuerteventura oder DomRep, wat ja suwiesu Kölle Süd es, und du sitzt dann im Flieger zwischen lauter Urlaubsrückkehrern dann kann Dir folgendes passieren: wenn der Pilot einer ist, der weiß, wen er da zurück noh Kölle fliegt, dann macht er folgendes: er macht vor dem Landeanflug in Köln-Wahn einen Schlenker übers Bergische, Linkskurve über Overath und dann über Leverk..., hust hust, Wießdorp övver dä Rhing, dann über Longerich die Linkskurve und jetzt in der Landeanflug noh Porz-Wahn.
Und das tut er aus einem einzigen Grunde: damit der Flieger so am Kölner Dom vorbeifliegt, daß ihn jeder der Passagiere sehen kann. Und dann passiert das, was man nur spüren kann: plötzlich wird es nicht ruhig im Flieger, es wird still. Alle gucken rechts aus dem Fenster, die aus den linken Reihen stehen auf und du hörst sie alle aus tiefem Herzen seufzen. Und in allen Köpfen ist nur ein Gedanke: Allein für diesen Blick haben sich auch vier Wochen Urlaub in der DomRep gelohnt.
 
Und genau das ist das kölsche Heimatgefühl. Und wer das nicht versteht, dem wird die schönste Stadt der Welt ewig verschlossen bleiben. Wer das aber versteht, dem wird sich die Stadt und seine Menschen öffnen, dann öffnen sich die Arme und die Herzen und dann wirst du in Kölle jebützt – och wenn Du ne Imi bes!


© Konrad Beikircher

Redaktion: Frank Becker