Beckfelds Briefe

An Mario Adorf

von Hermann Beckfeld

Hermann Beckfeld - Foto © Dieter Menne
Am 6. Dezember 2012 kam sein Film „Die Libelle und das Nashorn“ in die Kinos. Mario Adorf spielte einen alten Mann - und ein bißchen sich selbst. Hermann Beckfeld hatte eine Premierenkarte und schrieb an Mario Adorf:
 
Sehr geehrter Herr Adorf,
 
als Kind habe ich Sie gehaßt. Sie haben Nscho-tschi, die wunderschöne Schwester von Winnetou, erschossen. Als sie in den Armen ihres geliebten Old Shatterhand starb, heulte der ganze Kino-Saal. Und als wir den Film nachspielten, wollten alle Jungen der unerschrockene Häuptling oder sein starker Freund sein, aber keiner Sie, Santer, der Schurke.  
Nach Ihrem feigen Mord sind wir beide uns lange Zeit aus dem Weg gegangen. Ihre Filme waren nicht meine, Ihre Rollen gefielen mir nicht. Sie waren zu oft der feiste Mexikaner, der korrupte Mafiosi, der Massenmörder, der Ganove mit der weißen Weste.  
Aber dann war ich reif für den jungen deutschen Film, für „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“, für „Die Blechtrommel“. Ihr Image wandelte sich. Aus dem Bösewicht wurde der mächtige Unternehmer, der zuweilen selbstherrliche Patriarch, der gockelhafte, unterwürfige Promi-Wirt, der Komödiant in einem meiner Lieblingsfilme: „Rossini - oder die mörderische Frage, wer mit wem schlief“.  
Sie haben sich hochgekämpft, vom Jungen aus dem Waisenhaus, der seine Mutter nur am Sonntag besuchen durfte, vom schlecht bezahlten Komparsen am Theater zum skandalfreien Weltstar mit rund 200 Spielfilmen in mehr als 50 Jahren. Sie haben eine Ausstrahlung wie kein zweiter deutscher Schauspieler. Die Frauen schwärmen von Ihnen, weil Sie immer Wert auf Ihr Aussehen legen, weil Sie so charmant sind. Sie haben ein Lächeln, das so vieles verrät, aber nicht alles. Sie sind ein gelungener Mix: der schlitzohrige, flirtgewandte Halbitaliener mit französischer Leichtigkeit, deutscher Disziplin und Höflichkeit. Humorvoll, intelligent, immer mit einer Spur von Romantik und Unsicherheit. Das lieben Frauen. Trotz aller Erfolge sind Sie auf dem Teppich geblieben. Nie würde es Ihnen einfallen, Kollegen oder Regisseure zu kritisieren. Sie sind mit 82 ein Gentleman vom weißen Kopfhaar bis zu italienischen Designerschuhen.  
 
Sehr geehrter Herr Adorf,
Ihr neuer Film „Die Libelle und das Nashorn“ kommt am 6. Dezember in die Kinos. Sie spielen einen alten Mann, den eitlen Nino, einen gefeierten Schauspieler, dem nach einer Lesung aus seiner Biographie das Publikum zu Füßen liegt. Der danach an der Hotelbar eine junge Frau trifft und mit ihr eine sonderbare Nacht verbringt. Ich kenne dieses Hotel in Dortmund, ich kenne die Bar. Nach der Premiere werde ich dort ein Pils trinken und darüber nachdenken, ob Nino nicht den Mario spielt.
 
Hermann Beckfeld
(01.12.2012)

Mit freundlicher Genehmigung des Autors und des Verlags Henselowsky Boschmann.
„Beckfelds Briefe“ erscheinen jeden Samstag im Wochenendmagazin der Ruhr Nachrichten.

Redaktion: Frank Becker