Von falsch verstandener Toleranz ...

Michael Schmidt-Salomon – „Die Grenzen der Toleranz“

von Robert Sernatini

Von falsch verstandener Toleranz...
...und ihren fatalen Folgen
 
Der Philosoph Michael Schmidt-Salomon öffnet in seinem neuen Buch „Die Grenzen der Toleranz“ auf äußerst kluge und vor allem verständliche Weise die Augen für die Irrtümer, die der Toleranz-Begriff in unserer Gesellschaft zu ertragen hat und zeigt ein Gespür dafür, wo und von wem a. der Begriff mißbraucht und b. nicht ausreichend geschützt wird.
Zeitbedingt widmet sich der Autor vor allem der in der westlichen Welt arg strapazierten Toleranz im Zusammenhang mit den wachsenden Konflikten zwischen dem politischen Islam des Orients und den liberalen Gesellschaften des Okzidents – ein Thema voller politischer, sozialer und philosophischer Tretminen. Denn Intoleranz – oder was die „Gegenseite“ jeweils dafür hält – gibt es in allen Lagern. Erhellend sind im Widerstreit der Meinungen die in das Buch eingeflossenen Diskussionen bzw. der Meinungsaustausch des gewandten Religionskritikers mit Islamkritikern wie Hamed Abdel-Samad, Lale Akgün, Necla Kelek, Mina Ahadi oder Ensaf Haidar - und im Kontext zitierte Texte, Reden und Bücher von AfD-Politikern wie Beatrix von Storch und Frauke Petry sowie u.a. Journalisten wie  Henryk M. Broder, Heiner Bielefeld, Wolfgang Benz, Udo Ulfkotte und philosophischen Kollegen wie Karl Popper, Peter Singer u.a.m.

Schmidt-Salomon deckt Widersprüche auf, zeigt, wie ähnlich sich die Intoleranz des Islamismus und des reaktionären Anti-Islamismus in ihren Grundzügen – mit dem gemeinsamen Feindbild des Judentums – sind. Er zeigt aber auch auf, daß der unverständliche Haß (und die Intoleranz) radikaler Muslime gegen Andersgläubige, in deren Augen „Ungläubige“, noch übertroffen wird vom fanatischen Haß der moslemischen Glaubensrichtungen untereinander. Und er warnt unverhohlen vor dem hegemonialen Bestreben aktuell islamisch regierter Staaten.
Er spricht vernünftigerweise gegen die grundsätzliche Verteufelung der Religion des Islam als gefährlich, zeigt aber auch an Beispielen wie der Unterschätzung und Kniefälligkeit dem radikalen Islam gegenüber auf, welche Folgen es haben kann, wenn eine freie Gesellschaft sich zu spät Gedanken über die Strukturen und die Aggressivität unterschätzter Glaubensfanatiker macht und sich vorführen läßt. Ein Paradebeispiel ist Ruhollah Musawa Khomeini, dessen brutaler islamischer (schiitischer) Gottesstaat unter den Augen des Westens (und mit dem Beifall vieler) entstand und der bis heute dank fanatischer Religions-Garden Bestand hat. Nicht unerwähnt bleibt die Gefahr durch den politischen Islam im NATO-Partner Türkei unter dem bereits faktischen Diktator Recep Tayyip Erdoğan.
Er zeigt auch am Beispiel des inhaftierten und gefolterten Internet-Aktivisten Raif Muhammad Badawi, mit welcher Menschenverachtung das wahabitische System Saudi-Arabiens gegen Kritiker vorgeht. Badawi wurde eingesperrt zu langer Haft und zu 1000 (!) Peitschenhieben verurteilt, weil er Muslime, Christen, Juden und Atheisten für gleichwertig erklärte (Beleidigung des Islam).

Fazit: Der Islam stellt in einem säkularen System grundsätzliche keine Gefahr dar, weil er in der Wurzel Toleranz enthält - wohl aber der auf dem Vormarsch befindliche radikale politische und völlig intolerante Islam, der keinerlei Kritik duldet und darauf blutig reagiert (Mohammed-Karikaturen in Jyllandsposten, Charlie Hebdo-Massaker, aktuelle Verhaftungswelle in der Türkei) und den liberalen westlichen Staaten sowie ihren reaktionären Bewegungen gegenüber alleine dadurch weit überlegen ist, daß der glühende Moslem den Tod nicht fürchtet, ihn eher als erstrebenswerte Ehre begreift. Klingt irgendwie bekannt: Dulce et decorum est… (Horaz/Owen).
Das Buch darf trotz der Offenheit nach allen Meinungs-Seiten, bei aller Sachlichkeit und Neutralität als deutliche Warnung betrachtet werden - es regt zur Diskussion und zur weiteren Meinungsbildung an. Empfehlenswert.
 
Michael Schmidt-Salomon – „Die Grenzen der Toleranz“
Warum wir die offene Gesellschaft verteidigen müssen
© 2016 Piper Verlag, 215 Seiten, Broschur  -  ISBN: 978-3-492-31031-4
10,- €
 
Michael Schmidt-Salomon, Dr. phil., geboren 1967, ist freischaffender Philosoph und Schriftsteller sowie Vorstandssprecher der Giordano-Bruno-Stiftung. Er ist häufiger Interviewpartner in Presse, Funk und Fernsehen. Bei Piper erschienen von ihm „Jenseits von Gut und Böse“, „Leibniz war kein Butterkeks“ (mit Lea Salomon) sowie zuletzt „Keine Macht den Doofen“.
Weiteres zum Autor: www.schmidt-salomon.de
 
Weitere Informationen:  www.piper.de
 
Veranstaltungen:
Vortrag: Am Donnerstag, 30. März 2017 in Stuttgart
Michael Schmidt-Salomon spricht über »Die Grenzen der Toleranz« in Stuttgart
Zeit: 19:30 Uhr
Ort: Kleiner Kursaal in Bad Cannstatt, Königsplatz 1 , 70372 Stuttgart
 
Vortrag: Am Freitag, 31. März 2017 in Karlsruhe
Michael Schmidt-Salomon spricht über »Die Grenzen der Toleranz« in Karlsruhe
Zeit: 19:30 Uhr
Ort: Karlsruher Landesmedienzentrum, Moltkestraße 64 , 76133 Karlsruhe
 
Vortrag: Am Mittwoch, 03. Mai 2017 in Tuttlingen
Michael Schmidt-Salomon spricht über »Die Grenzen der Toleranz« in Tuttlingen
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Stiefel's Buchladen, Donaustr. 44 , 78532 Tuttlingen