Beckfelds Briefe

An Reinhard Zinkann

von Hermann Beckfeld

Hermann Beckfeld - Foto © Dieter Menne
Qualität, Vertrauen, Nähe zu den Mitarbeitern und ganz viel Leidenschaft: Reinhard Zinkann, in vierter Generation Chef von Miele, kennt nur einen Weg, und der ist gerade. Ein deutscher Spitzenmanager, zielstrebig, kraftvoll, eloquent, der auch Fehler eingesteht - er kann die Abseitsregel nicht erklären.
 
Sehr geehrter Herr Zinkann,
 
es gibt Vorträge, bei denen langweilt man sich und ist froh, wenn der Redner endlich zum Schluß kommt. Ihnen aber hätte ich noch viel länger zuhören können, so spannend, so voller Leidenschaft, dabei auch so fachkundig und aufrichtig stellten Sie sich, Ihre Pläne und Ihr Unternehmen vor. Ihr Urgroßvater, der genau wie Sie Reinhard hieß, hat es mit Carl Miele gegründet. Am 1. Juli 1899 war es. Damals hatte die Firma elf Mitarbeiter und nur eine Drehbank. Heute beschäftigt Miele weltweit 17.600 Angestellte und macht einen Umsatz von mehr als drei Milliarden Euro.
Kompliment. Über Unternehmerfamilien sagte Kanzler Otto von Bismarck: „Die erste Generation schafft Vermögen, die zweite verwaltet Vermögen, die dritte studiert Kunstgeschichte, und die vierte verkommt.“ Bei Ihnen ist das anders. Sie führen mit Markus Miele den Konzern in vierter Generation, und nach dem Auftritt in Ihrer Firmenzentrale weiß ich: Sie haben ihn verinnerlicht, den Wahlspruch, den die Gründer erfanden, als sie die ersten Milchzentrifugen und Buttermaschinen bauten: „Immer besser!“
Sie sagten Sätze, die so manchem, der den Chefposten nur als Erbe ergattert hat, nie in den Sinn kommen würden. „Hochmut ist die größte Gefahr“. Oder: „Unternehmerblut wird nicht vererbt. Um Unternehmer zu sein, muß man Leidenschaft empfinden“. Oder: „Ein guter Chef geht zum Mitarbeiter.“
Sie sind ein Mann, der weiß, was er kann und was nicht. Technik, das ist nicht so Ihre Sache. Ihr Job, Ihre Aufgabe ist das Marketing, der Vertrieb, Sie verkaufen Mitarbeitern und Kunden eine Philosophie, die sich seit 125 Jahren auszahlt. Statt der im Elektrohandel üblichen „Geiz ist geil-Mentalität“ halten Sie es lieber mit der Qualität, die man nicht geschenkt bekommt, und schieben das Argument für Spitzenpreise gleich hinterher. Schließlich würden Ihre Waschmaschinen und Kühlschränke 20 Jahre funktionieren.
Ich bin überzeugt, ich spreche besonders im Namen von Millionen Männern, wenn ich Ihnen verrate, daß wir Ihren Vorfahren täglich dankbar sind. Denn diese waren es, die 1929 die erste elektrische Geschirrspülmaschine Europas herstellten - mein bester Freund sagt immer, die Erfinder hätten den Friedensnobelpreis verdient.
 
Sehr geehrter Herr Zinkann,
Spaß beiseite. Selten habe ich einen Spitzenmanager, der die Hälfte des Jahres für sein Unternehmen und seine Innung um die Welt jettet, so überzeugend, so geradlinig, so voller geballter Kraft reden hören. Jedes Wort spiegelte Ihre Entschlossenheit, Ihre Überzeugungskraft und Ihre Liebe zum Produkt, zum Familienbetrieb, zum eigenen Leben. Nur ganz zum Schluß offenbarten Sie eine Schwäche. Mit einem Augenzwinkern und mit Blick auf den kommenden Fußballabend mit Freunden gaben Sie zu, keine Ahnung vom Fußball zu haben, aber Ihre Gäste gern überraschen zu wollen, indem Sie ihnen die komplizierte Abseitsregel erklärten. Ein Tip: Meine Regelauslegung würde Ihrem trockenen ostwestfälischen Humor gefallen. Ich zitiere Trainer Hennes Weisweiler, der bekanntlich seinen Star Günter Netzer nicht so richtig leiden konnte. Weisweiler sagte. „Abseits ist, wenn das blonde A...loch mal wieder den Ball zu spät abspielt.“
(27.09.2014)
 

Mit freundlicher Genehmigung des Autors und des Verlags Henselowsky Boschmann.
„Beckfelds Briefe“ erscheinen jeden Samstag im Wochenendmagazin der Ruhr Nachrichten.

Redaktion: Frank Becker