Handeln, bevor der Terror nach NRW zurückkehrt

Ein Kommentar

von Ulli Tückmantel

Foto © Anna Schwartz
Handeln, bevor der Terror nach NRW zurückkehrt
 
Von Ulli Tückmantel
 
Das zugleich entsetzte und erleichterte Aufatmen, daß der versuchte Mordanschlag von Dortmund mutmaßlich auf das Motiv Geldgier und nicht Terror zurückging, ist völlig unangemessen. Denn die Terror-Gefahr für NRW ist hoch, doch unser Bundesland schlechter vorbereitet als andere. Und, wie der CDU-Vorsitzende Armin Laschet am Freitag erinnerte: Nach Berlin ist es von hier aus weiter als nach Paris.
 
Die SPD wird es routiniert als Wahlkampf-Getöse abtun, das Laschet am Freitag den Terrorismus-Experten Peter Neumann als Mitglied seiner geplanten Regierungskommission zur Generalrevision der Sicherheitsarchitektur in NRW vorstellte. Die Bürger lebten allerdings sicherer, wenn die Landesregierung einmal jemand anderem als Ralf Jäger und seinen Selbstverteidigungsreden zuhörte.
Neumanns Prognose: Es wird kein schnelles Ende des Terrors in Europa geben, und NRW wird das am stärksten betroffene Bundesland sein. Dafür hat Neumann gute Argumente: Wie schon bei Al-Kaida, wird die Zahl der Terroranschläge zunehmen, je mehr der IS im Irak und in Syrien in Bedrängnis gerät.
 
Der mutmaßliche IS-Attentäter von Paris war erneut ein französischer Staatsbürger. Seit die Terror-Organisationen IS und Al-Kaida weltweit nicht mehr zu Operationen im Stil des 11. September in der Lage sind, bedienen sie sich bevorzugt gescheiterter Existenzen vor Ort. Sicherheitsexperten nennen das „homegrown terrorism“; bei uns aufgewachsen, aus der Bahn geflogen, erst indoktriniert, dann „jihadisiert“.
Wer das Prinzip verstanden hat, weiß, was den Hintermännern am meisten nützt: der Erfolg rechter Schreihals-Parteien, die mit ihrer Hetze den Terroristen das Geschäft der Radikalisierung erleichtern. Der IS hat mit dem Anschlag in Paris direkte Wahlkampfhilfe für Marine Le Pen geleistet. Die revanchierte sich mit erwartbaren extremistischem Krach.
Was bedeutet das für NRW? Es gibt hierzulande 2900 Salafisten, seit 2010 hat sich ihre Zahl versechsfacht. Aus NRW sind 200 „Kämpfer“ Richtung IS ausgereist; 50 kamen bisher zurück. Die Rechnung, die Neumann aufmacht: Mit den Terroristen kehrt die Terrorgefahr nach NRW zurück. Auf diese Welle müsse man sich strategisch vorbereiten.
 
Der Realist Neumann sagte am Freitag aber auch: „Als Wissenschaftler bin ich es gewohnt, Dinge vorzuschlagen, die nicht umgesetzt werden.“ Das ist zu befürchten.

Der Kommentar erschien am 22. April 2017 in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.