Viel mehr als „Vater und Sohn“

Elke Schulze – „Erich Ohser alias e.o.plauen - Die Werkausgabe“

von Frank Becker

Prächtige Werkausgabe
Erich Ohser alias e.o.plauen
 
Vielen Freunden von Zeichengeschichten ist Erich Ohser (1903-1944) nur unter seinem Pseudonym „e.o.plauen“ und als Schöpfer der genial liebenswerten „Vater und Sohn“-Geschichten bekannt. Daß er für ein weit größeres künstlerisches Spektrum stand, haben wir unseren Lesern in der Vergangenheit vor allem in der Besprechung des ihm im Jahr 2000 von Marianne Menze gewidmeten Bandes „Erich Ohser (e.o. plauen) - Politische Karikaturen, Zeichnungen, Illustrationen und alle Bildgeschichten“, dem Essay Joachim Klingers zu Erich Ohsers 110. Geburtstag im Jahr 2013 und diversen „Vater und Sohn“ - Betrachtungen mehrfach näher gebracht.
 
Eine neue Werkschau
 
Nun legt der Südverlag ganz aktuell eine von Elke Schulze wunderbar zusammengestellte, kommentierte Werkschau vor, deren ca. 450 Abbildungen (farbig und schwarz/weiß) pro Sachkapitel von informativen, erläuternden Texten begleitet werden. Vorangestellt ist die reich bebilderte, illustrativ verbesserte Biographie Erich Ohsers von Detlev Laubach (†),  die bereits den oben genannten großen Erich-Ohser-Band im Jahr 2000 eingeleitet hat. Die von Elke Schulze unterhaltsam gestalteten Kapiteltexte für die Abschnitte „Meister der Zeichenkunst“, Natur, Mensch, Tier“ (Landschaft, Architektur, Akt, Porträt), Illustrationskunst und Gebrauchsgraphik“ (Plakat, Buchgestaltung, Theater-Programmhefte), „Karikaturen und Witzbilder“ und „Vater und Sohn und das Medium der Bildgeschichte“ ermöglichen sachbezogen einen intimen Einstieg in das vielseitige „gezeichnete Universum“ des heute außerhalb seiner Bildgeschichten zu wenig beachteten Künstlers.


  Ill. zu Kiplings „Das kommt davon“ - © Erich Ohser-e.o.plauen Stiftung e.o.plauen-Gesellschaft e.V.
 
Guter Handwerker
 
Ohser hat als guter Handwerker, firm in Zeichnung, Tusche, Aquarell und Holzschnitt, in Porträt, Karikatur und Buchillustration Bücher und ihre

© e.o.plauen Stiftung e.o.plauen-Gesellschaft e.V.
Umschläge von u.a. Johann Peter Hebel (Anekdoten“), Rudyard Kipling („Das kommt davon“), Michail Soschtschenko („Der Stiefel des Zaren“), Heinz Medefind („Das war London“), R.A. Stemmle („Die Zuflöte“) und vor allem Erich Kästner („Herz auf Taille“, „Ein Mann gibt Auskunft“, „Gesang zwischen den Stühlen“) gestaltet. Als Witzzeichner und Illustrator wird gelegentlich eine gewisse Nähe zum Kollegen Walter Trier sichtbar. Offenbar las und schätzte Erich Ohser seinen Zeitgenossen Joachim Ringelnatz, zeigt doch seine Zeichnung
Die Fußballleidenschaft (rechts) eine deutliche Parallele zu dessen Gedicht Fußball (nebst Abart und Ausartung). Als Pressezeichner u.a. für „Das Reich“ hat er auch tagesaktuell gearbeitet. Das allerdings durchaus kritikwürdig. Ob er ein politischer Opportunist war, ein Wendehals oder ein Verzweifelter, der irgendwie versucht hat, sich und seine Familie während der Schreckensherrschaft im Dritten Reich durchzubringen, wird bis heute angesichts seiner wechselvollen künstlerischen Biographie teils heftig diskutiert. Fest steht, daß er unter dem Druck der braunen Macht als politischer Karikaturist eine Wendung um 180° vom erklärten Nazi-Gegner, dem 1934 wegen seiner engagierten Kritik an den Nazi-Protagonisten Goebbels, Hitler und Konsorten die Aufnahme in die Reichspressekammer verwehrt wurde, ab 1940 zum geradezu unappetitlichen Vasallen der Firma Hitler & Co. vollzogen hat. Seine Karikaturen gegen die alliierten Mächte in der Zeitschrift „Das Reich“ sind von abstoßender Geschmacklosigkeit. Daß Erich Ohser Denken wohl weit anders war als sein Handeln, wird durch sein schreckliches Ende dokumentiert: von einem Nachbarn, dem Wehrmachts- Hauptmann Bruno Schultz bei der Gestapo denunziert, wurden er und sein Freund, der Arzt Erich Knauf wegen „staatsfeindlicher Äußerungen“ vor dem Volksgerichtshof angeklagt. In der Nacht vor seinem Schauprozeß erhängte sich Erich Ohser in seiner Gefängniszelle. Erich Knauf wurde zum Tode verurteilt und hingerichtet.
 
Vater und Sohn
 
Der Zauber der zuvor geschaffenen Geschichten um „Vater und Sohn“ ohne politische Botschaft,gesellschaftliche oder regionale  Zuordnung, spricht eine ganz andere Sprache als die politischen Karikaturen der 1940er Jahre. Ohser hat zwei sympathische Anti-Helden mit Ecken und Kanten, mit Launen und kleinen Fehlern geschaffen, die der Leserschaft, also dem Normalbürger abgeschaut waren. Die für den Zeitgeist im Grunde völlig „undeutschen“ heiteren Geschichten um einen alleinerziehenden Vater, der nicht im mindesten dem arischen Schönheitsideal entsprach und dem Sohn, dessen wilder Haarschopf nichts vom straff gescheitelten Knabenbild der nationalsozialistischen Jugend hatte, waren ein Gegenentwurf zur genormten, gleichgeschalteten Gesellschaft ihrer Zeit.    
Die in drei bis neuen Bildern erzählten Geschichten um menschlich typische Reaktionen, kleine Mißgeschicke und verzeihliche Fehler gewannen wegen ihrer Nähe zum wirklichen Leben und vor allem wegen ihrer Einsicht so schnell an Beliebtheit, daß sie von 1934 bis 1937 regelmäßig wöchentlich erschienen - 185 Geschichten insgesamt - und bald auch in Buchform auf den Markt gebracht wurden. 100 dieser liebenswerten Geschichten haben wir Ihnen in Zusammenarbeit mit dem Südverlag in den Musenblättern bereits vorgestellt. Eine weitere Staffel ist in Vorbereitung. Die Zahl der Buchveröffentlichungen zu und über Erich Ohsers Werk übersteigt längst die 120. Empfehlenswerte Einzel- und Gesamtausgaben liegenbeim Südverlag in großer Zahl und Auswahl vor.


            © www.vaterundsohn.de

 
Referenz-Werk
 
Elke Schulzes Werkausgabe kann, gemeinsam mit ihrer 2003 im Südverlag erschienenen Biographie „Erich Ohser alias e.o. plauen – Ein deutsches Künstlerschicksal“, durchaus als Referenzwerk zu Leben und Werk Erich Ohsers angesehen werden. Von den Musenblättern als lohnende Anschaffung empfohlen.

Elke Schulze – „Erich Ohser alias e.o.plauen - Die Werkausgabe“
Zeichnungen, Illustrationen, Karikaturen, Witzbilder und „Vater und Sohn“-Bildgeschichten
Texte von Elke Schulze – mit einer ausführlichen Biographie von Detlev Laubach (†)
 
© 2017 Südverlag, 336 Seiten, 26,3 x 31,4 cm, ca. 450 farb. und s/w-Abbildungen, gebunden mit Schutzumschlag - ISBN 978-3-87800-103-4
49,90 €
 
Weitere Informationen: www.suedverlag.de