Junge Tänzer schütten ihr Füllhorn aus

3. Gastspiel des Bundesjugendballetts in Remscheid

von Daniel Diekhans

Foto © Silvano Ballone

Junge Tänzer schütten ihr Füllhorn aus
 
Zum 3. Mal gastierte Bundesjugendballett in Remscheid
 
Intendanz: John Neumeier - Künstlerische und pädagogische Leitung: Kevin Haigen - Kostüme: Sonja Kraft - Licht: Roger Irman
 
Mit den Tänzern des Bundesjugendballetts: Natsuka Abe, Sara Ezzell, Charlotte Larzelere, Larissa Machado, Teresa Silva Dias, Kristian Lever, Tilman Patzak, Joel Paulin, Artem Prokopchuk, Ricardo Urbina Reyes
Musik: Aaron Copland, Leonhard Cohen, Ludwig van Beethoven, Jules Massenet, Paul van Dyk, Igor Stravinsky, Felix Mendelssohn Bartholdy, Peteris Vasks
Musiker: Bergische Symphoniker (Ltg. Peter Kuhn), Mark Reichert (Bariton), Alexander Vorontsov (Klavier), James McFadden-Talbot (Geige)
 
Publikum bejubelte das facettenreiche Programm der jungen Compagnie
 
Beim diesjährigen Auftritt im Remscheider Teo Otto Theater schüttete das Bundesjugendballett großzügig sein Füllhorn aus. Neben erprobten Choreographien zeigten die jungen Tänzer mit „Dumbarton Oaks“ ein ganz neues Stück. Wie im Vorjahr sorgten Peter Kuhn und seine Bergischen Symphoniker für eine kraftvoll-farbige Begleitung. Für „Simple Gifts“, Hommage von Ballett-Chef John Neumeier an seine amerikanische Heimat, war Sänger Mark Reichert mit von der Partie. Mit markantem Bariton sang er Aaron Coplands „Old American Songs“. Die Tänzer reagierten auf Schlüsselbegriffe wie „River Boat“, indem ihre Hände Paddel und Wellenbewegungen nachahmten. Beim (ironischen) Lied über den Gemeindeprediger hoben sie einen aus ihrer Mitte auf die Schultern.
Im gleitenden Übergang beantwortete „John’s Dream“ Fragen wie „Was ist das Bundesjugendballett? Was will es?“. Während James McFadden-Talbot (Geige) und Alexander Vorontsov (Klavier) auf der Bühne die dichten Bewegungsfolgen des Ensembles begleiteten, wurden die Stimmen der Tänzer aus dem Off eingespielt. Sie sprachen von Neumeiers Traum einer Compagnie, „die junge Tänzer auf den Weg einer lebenslangen Entwicklung führt“ und den Menschen Tanz nahe bringe. Und sie sprachen von der Stärke des tanzenden Körpers: Er könne sagen, was die Worte nicht ausdrücken können.
 
Bei „Thaïs“, benannt nach der Ohrwurm-Melodie von Jules Massenet, trägt Tänzer Kristian Lever seine Partnerin Teresa Silva Dias auf den Händen. Sie schlägt ihre Beine wie Flügel und wenn Lever sie über seinen Kopf hebt, wirkt es fast so, als ob sie gleich davonschwebt. „Der Ritt“ holt den Bedtrachter mit Humor zurück auf den Boden. Der ausführende Solist heißt Tilman Patzak, der schon im letzten Jahr beim Gastspiel tanzte. Mit galoppierenden Bewegungen stellt er das Weltmeister-Pferd Totilas von Edward Gal dar. Allerdings unterläuft er die Perfektion des dressierten Tiers, indem er kunstvoll ins Stolpern kommt oder völlig überzogen mit dem Kopf ruckelt.
Witzig fällt auch „Dumbarton Oaks“ aus, dessen Choreographie das Ensemble zum gleichnamigen Strawinsky-Konzert entwickelte. Theatralisch führen sie zwischen Sprüngen und Pirouetten Gruppenverhalten vor: Grüßen, Verbeugen, Händeschütteln. Diese steife Förmlichkeit schreit geradezu nach Leuten, die aus der Reihe tanzen. Tilman Patzak und Sara Ezzell tun dies wie Derwische in langen Röcken und mit ausladenden Bewegungen. Von dieser Freiheit im Ausdruck lassen sich ihre Kollegen anstecken. Beim Gastspiel wurden die Tänzer von Peter Kuhn und seinen Symphonikern getragen, die die hakenschlagende Musik flüssig und sicher interpretierten.


Foto © Silvano Ballone
 
Dagegen wirkt das „Nocturne“ mit Musik von Mendelssohn wie eine Rückkehr zu klassischem Ballett. Larissa Machado und Sara Ezzell zeigen hier feinsten Spitzentanz. Die erzählte Geschichte – zwei Paare lieben sich über Kreuz – ist allerdings weniger klassisch. Vom Publikum lautstark gefeiert wurden auch die Tanzstücke „Muted“ und „Petrushka-Variationen“. Zu drängenden Streicherklängen des lettischen Komponisten Peteris Vasks, Jahrgang 1946, nimmt sich „Muted“ (übersetzt „gedämpft, verhalten“) eines heiklen Themas an: Gewalt und seinen Folgen. Fäuste werden gereckt, Ohrfeigen angedeutet – und jeder Tänzer umklammert den eigenen Hals, als wolle er sich erwürgen. Die letzte Szene zeigt erstarrte Körper und leere Gesichter.
 
Doch keine Sorge! Mit den „Petrushka-Variationen“ vertrieb das versammelte Ensemble die düstere Stimmung. Orangerot und türkisblau läßt Roger Irman die Bühne leuchten und nicht weniger bunt sind die Kostüme. Die Tänzer bewegen sich eckig und zugleich überschwenglich, als wären sie außer Kontrolle geratene Gliederpuppen. Die gut dreihundert Zuschauer hatten ihre Freude dran und erhoben sich beim Schlußapplaus jubelnd von ihren Sitzen.
 
Weitere Informationen unter www.bundesjugendballett.de
 
Redaktion: Frank Becker