Dreckskasten!

Klaus Wilmanns glänzt in Süskinds Monodrama „Der Kontrabaß“

von Frank Becker

Foto: theater 3 hasen oben

Dreckskasten!
 
Die dramatische Geschichte der Haßliebe
zwischen einem Kontrabassisten
und seinem klangvollen Instrument.
 
Als 1981 Patrick Süskinds Monodrama „Der Kontrabaß“ im Münchner Cuvilliéstheater uraufgeführt wurde, war Nikolaus Paryla der namenlose Niemand hinter dem edlen Instrument, der sein tragisch leeres Leben, seine Haßliebe zu dem voluminösen hölzernen Corpus und seine hoffnungslose Verehrung für die Mezzosopranistin Sarah vor der Zuhörerschaft ausbreitete. Süskind hatte seinerzeit die Rolle für Paryla geschrieben, ihm auf die Natur sozusagen. Und Paryla war 140 mal darin genial.

Seither hat es ungezählte weitere erfolgreiche Interpretationen fabelhafter Schauspieler gegeben, die zwar den Bogen in die Hand genommen, ihn aber mangels musikalischer Ausbildung nicht geführt haben. Klaus Wilmanns vom „theater 3 hasen oben“ ändert das. Selbst Kontrabassist (trigonometro u.a.), läßt er den Pretschner-Bogen über die Saiten seines Kontrabasses fliegen, gleiten, dröhnen, zupft und schlägt ihn und präsentiert in scharfem Kontrast zum Text des großartigen Bühnenstücks den Baß als lebendiges, dynamisches, klangvolles Wesen.
Wilmanns modifiziert – er trinkt Württemberger Rotwein anstelle des Biers, das im Original-Skript vorgesehen ist, er beginnt mit Mozart, statt mit Brahms, und vor allem läßt er sein Instrument da sprechen, wo sonst nur Worte vorgesehen sind. „Geboren wird man nicht zum Kontrabaß“, sagt er, und man sieht das mächtige Instrument mit einem Mal auf einer Ebene mit dem von Georg Kreisler so eindrücklich beschriebenen Triangel. Doch so sehr der namenlos bleibende, gescheiterte Orchestermusiker („bloß Tuttist“) den Baß als „Dreckskasten“ niedermacht, so eindrucksvoll lebt dieser auf. Wunderschöne Akkorde, Jazz-Paraphrasen, Rhythmus-Läufe mit Drumsticks und Revox-konservierte und live begleitete Passagen großer sinfonischer Entwürfe entfalten sich auf der Studio-Bühne der Nevigeser Vorburg, die nicht genug Stühle bot, um dem begeisterten Ansturm Genüge zu tun.

Vergessen wir Wagner nicht. Wagner haßt dieser Orchestermusiker, der seit zwei Jahren keine Frau gehabt hat, intim und mit eben der Gewalt, mit der Wagner auf den Hörer und noch ärger auf den Musiker einstürzt. Ditters ja, aber Wagner? „Hätte es vor 175 Jahren eine Psychoanalyse gegeben, wäre uns von Wagner einiges erspart geblieben“.
Doch dann steht er da, in Unterhemd und Doppelripp-Unterhose (verstärkter Zwickel), bevor er sich zum täglichen Ritus bei der Staatsphilharmonie ankleidet, ist ein Würstchen und ein ziviler Held zugleich. Wer die Aufführung in der Vorburg trotz Sauerstoffmangel nach 100 Minuten (glücklicherweise ohne Pause) überstanden und noch genug Reserven hatte, ging wie der Rezensent begeistert und inspiriert nach Hause.
 
Weitere Informationen: www.3hasenoben.de