Zwei unvergessene Sterne am deutschen Auto-Himmel

NSU (1900-1977) und Borgward (1947-1961)

von Robert Sernatini

 

         

 

Mein Prinz!
  Mylady


Zwei erloschene, aber unvergessene
Sterne am deutschen Auto-Himmel
 
Heute gilt es, Ihnen zwei Sterne vorzustellen, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts am deutschen Autohimmel glänzten. Ein wenig Wehmut schwingt dabei vor allem für die älteren unserer Leser mit, denn es sind gleichzeitig Erinnerungen an bessere automobile Zeiten, als noch solide Autos gebaut wurden, ohne Betrugs-Software (wer „Schummel-Software“ sagt, verharmlost diesen weltweit generalstabsmäßig geplanten Massenbetrug) und elektronische Spielereien. Wir sprechen von den Firmen Borgward und NSU, deren gediegene Produktionen – wie übrigens auch die der Fa. Hans Glas - in den 60er bzw. 70er Jahren der auch politischen Macht der großen börsennotierten Konzerne weichen mußten.
 
 
Mein Prinz!
 
Beginnen wir mit dem älteren, traditionsreicheren Unternehmen, dem Motorrad- und Auto-Bauer NSU. Bereits im Jahr 1901 bot NSU (d.i. die 1873 von Christian Schmidt gegründete Neckarsulmer Fahrradfabrik) ein motorisiertes Fahrrad an, Vorläufer einer bis in die 60er Jahre reichenden Motorrad- und Moped-Erfolgsgeschichte. 1906 folgte das erste Automobil in Serien-Produktion. Schon vor dem 2. Weltkrieg einer der größten Motorradhersteller der Welt, machten in der Zeit von Wiederaufbau und Wirtschaftswunder Modelle wie Quick, Fox, Lux, Max, Maxi, Superlux, Prima, Lambretta und die berühmte aus dem 1939er Modell „Quick“ entwickelte „Quickly“ NSU im Jahr 1955 zur weltweiten Nummer 1. Auf NSU-Renn- und Geländemotorrädern wurden Meisterschaften aller Klassen gefahren und gewonnen. Wer würde sich nicht an die Namen Erwin Schmider, Werner Haas und Horst Kassner erinnern. Der Reiseschriftsteller Rolf Italiaander benutzte 1956 ein NSU-Max-Beiwagengespann für eine Afrika-Forschungsreise.


NSU Prinz 4 1965 - Foto © Frank Becker
 
Die Ära der NSU-Motorräder endete 1966, nachdem man sich ab Mitte der 1950er Jahre mehr und mehr auf die Automobilproduktion der Serien „Prinz“, „Jagst“, TT/TTS, „Neckar“ (in Zusammenarbeit mit Fiat) und schließlich der einzigartigen Wankel-Modelle konzentrierte. Das Flaggschiff wurde 1967 das Design- und Motorwunder Ro 80 mit dem von Felix Wankel entwickelten revolutionären Motor, eines der ästhetischsten Fahrzeuge der gesamten Automobilgeschichte, quasi die „Concorde“ auf den Straßen. Zuvor aber hatte sich der Prinz vom belächelten Straßenfloh der ersten Jahre über die elegante 1200er Klein-Limousine, den flotten Sport-Prinz Cabrio und mit seinen zum Kultobjekt im Ralley-Sport avancierten TT-Modellen zu einer beliebten deutschen Modell-Reihe entwickelt.
Mit der „Zusammenarbeit“ von NSU und Audi ab 1969, die de facto aber eine Übernahme mit dem Ziel der Liquidation war, endete die ruhmreiche NSU-Geschichte.
Peter Schneider und Stefan Knittel haben in ihrem handlichen Band der Reihe „Schrader-Motor-Chronik“ mit den Dokumentationen „NSU-Automobile 1905-1977“ und „NSU-Motorräder 1949-1963“ die interessantesten Kapitel der NSU-Geschichte mit reichem und rarem, zum Teil farbiges Bild- und Prospektmaterial Bildmaterial kompakt, anschaulich und unterhaltsam aufgearbeitet.


NSU Ro 80 1967 - Werksfoto

Peter Schneider / Stefan Knittel – „NSU - Autos und Motorräder 1900-1977“
© 2011 Motorbuch Verlag, 188 Seiten, gebunden, 17 x 16 cm, 176 s/w-Bilder und 75 Farbbilder  -  ISBN: 978-3-613-03277-4
9,95 €
 
 
Mylady
 
Borgward, die von Carl Friedrich Wilhelm Borgward gegründete Marke aus Bremen, gehörte auf dem Transport- und Pkw-Sektor unbestritten zu den Ikonen des deutschen Wiederaufbaus und Wirtschaftswunders. Umso spektakulärer war 1961 der Zusammenbruch des größten Arbeitgebers in Bremen, dessen Konkurs vom Bremer Senat nicht verhindert wurde. Die näheren Umstände der Pleite sind heute noch umstritten, und in jüngerer Zeit kommt immer wieder das Gerücht auf, Bremen wolle die Legende wiederauferstehen lassen.

 
 
Die Autos von Borgward, erlesene Personenkraftwagen wie Hansa, Isabella, Arabella, P100 und P 230 und die leistungsfähigen Fahrzeuge der Lastwagen-Sparte gehören heute für Auto- und Technikbegeisterte zum Besten, was seinerzeit gebaut wurde und sind zu Recht zu Kult-Objekten geworden.
Schon die „Hansa“-Reihe, die von 1949 bis 1961 in etlichen Varianten, von der Limousine über den Kombi bis zum Cabriolet gebaut wurde, bestach durch Form und Leistung. Der große Pullman 2400 konnte sich fraglos in Ausstattung, Technik und Design mit den gleichwertigen Opel- und Mercedes-Modellen messen, wenn sie nicht gar übertreffen. Die optisch wie in der Ausstattung leichtere schnittige Mittelklasse-Limousine „Arabella“ der zur Borgward-Gruppe gehörenden Lloyd Motorenwerke war eine willkommene Version für den etwas kleineren Geldbeutel. Die große Dame unter den Borgward-Produkten aber war und ist die elegante „Isabella“, als Limousine, Coupé oder Cabriolet – eine Schönheit. Borgward baute Autos mit Chrakter und „Gesicht“.
Schon zwei Jahre vor der Pkw-Produktion baute Borgward ab 1947 wieder Nutzfahrzeuge aller Klassen. Unverwüstlich und auf technisch hohem Stand wurden die langlebigen Kleintransporter, Schnell-Lastwagen, Reisebusse, Schwer-Lastwagen, Feuerwehr-Fahrzeuge und Lastzüge auch Export-Schlager.


Borgward Hansa 2400 - Werksprospekt

Die tragische Geschichte der noblen Marke Borgward übrigens wird mit einigen interessanten Filmen auf der DVD „Chromveteranen“ der Filmproduktion Tacker Film aufgerollt. Die von Martin P. Roland und Walter Zeichner aus eigenen Beständen und dem Archiv von Christian Steiger zusammengetragenen Fotos, Werbe-Prospekte und Plakatmotive zu allen Borgward-Typen dokumentieren die Legende „Borgward“ schwelgerisch.
 
Martin P. Roland / Walter Zeichner – „Borgward - Personen- und Lastwagen 1947-1961“
© 2009 Motorbuch Verlag, 188 Seiten, gebunden, 17 x 16 cm, 219 s/w-Bilder und 27 Farbbilder  -  ISBN: 978-3-613-03110-4
9,95 €
 
Mehr über die hier vorgestellten Bände und zum Thema: www.paul-pietsch-verlage.de
 
Als Begleitmaterial zum Thema empfehlen sich die DVDs der Tacker Film:
 
Redaktion: Frank Becker