„Es lebe die entartete Kunst.“

„Art et Liberté“ in der Kunstsammlung NRW

von Andreas Rehnolt

Ramsès Younane, Untitled, 1939, Öl auf Leinwand,
Courtesy H. E. Sh. Hassan M. A. Al Thani collection, Doha
„Es lebe die entartete Kunst.“
 
Die Ausstellung „Art et Liberté“ in der Kunstsammlung NRW widmet sich einer bislang kaum bekannten ägyptischen Künstlergruppe aus der Zeit von 1938 bis 1948.
 
 Während im Deutschland des Dritten Reichs Künstler von den Nationalsozialisten als „entartet“ diffamiert und aus den Museen und Sammlungen entfernt wurden, gründete sich 1938 in der ägyptischen Hauptstadt Kairo die bislang kaum bekannte Künstlergruppe „Art et Liberté“ (Kunst und Freiheit). Über diese Gruppe informiert eine Ausstellung in der Kunstsammlung NRW in Düsseldorf, die seit dem vergangenen Samstag zu sehen ist.  
Im Gründungsmanifest im Dezember 1938 hieß es ausdrücklich: „Es lebe die Entartete Kunst. Laßt uns gemeinsam das Mittelalter besiegen, das im Herzen des Okzidents entsteht.“ Diese Gruppe aus anfänglich 37 Malern, Literaten und Journalisten wollte nach den Worten der künstlerischen Direktorin der Kunstsammlung, Anette Kruszynski auch „Anlaufstelle sein für verfolgte Künstler in Europa“. Kairo war zu diesem Zeitpunkt eine „relativ freie und sehr kosmopolitische Stadt“, betonte Kuratorin Doris Krystof.
Beteiligte Künstler und Künstlerinnen wie Hassan El-Telmisani, Inji Efflatoun, Fouad Kamel, Amy Nimr, Samir Rafi, Mayo oder Ramses Younan.
 
Kurz vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs im vom britischen Empire kontrollierten Königreich Ägypten kämpfte die Gruppe „Art et Liberté“ gegen Faschismus, Nationalismus und Kolonialismus und trat für ein freiheitliches Menschenbild ein. Die Mitglieder wehrten sich auch gegen die vom ägyptischen Staat bevormundete Kunst und die propagierte Verbindung von Nationalismus und Kultur. Sie sahen im Surrealismus eine Möglichkeit, in ihrem Land politisch und gesellschaftlich Position zu beziehen - mit Bildern, Grafiken, Büchern, Zeitschriften, Artikeln, Fotografien, Filmen oder Karikaturen.
All das haben die beiden Hauptkuratoren der bis zum 15. Oktober eingerichteten Ausstellung, Sam Bardaouil und Till Fellrath in mehrjähriger Recherche aus 50 Sammlungen in zwölf verschiedenen Ländern zusammengetragen. Herausgekommen ist eine Schau, die mit insgesamt über 200 Exponaten auch recht textlastig ist. Da tut es gut, große schwarz/weiß-Fotografien mit den wichtigsten Gruppenmitgliedern zu sehen, es gibt auch alte schwarz/weiß-Filme, die das Kairo dieser Zeit zeigen.
 
Dort waren alleine bis zu 140.000 Soldaten des britischen Empire stationiert. „Bittere Armut zwang viele Frauen zur Prostitution“, betonte Kuratorin Kruszynski. Auch dies griffen die Künstlerinnen und Künstler der Gruppe in ihren Gemälden auf. Sie solidarisierten sich mit diesen „Stadtfrauen“ und gaben ihnen künstlerisch Gestalt. In insgesamt neun thematischen Schwerpunkten zeigt die Schau im Museum am Rande der Düsseldorfer Altstadt das politische, ästhetische und auch soziale Engagement von „Art et Liberté“.
Das Gemälde „Schläge von Batons“ aus dem Jahr 1937 handelt von der Polizei-Brutalität unter den Studenten-Demonstrationen. Die Körper werden in gewalttätige, geometrische, abstrakte Formen dekonstruiert, die den Zusammenstoß zunehmend entfremdeter sozialer Klassen widerspiegeln. Andere Bilder zeigen ertrunkene Skelette, ausgemergelte Menschen, wütende Mädchen und zerfetzte Körper.
Es sind ganz andere Surrealistenbilder, als die, die man aus deutschen oder europäischen Museen gewohnt ist, zu sehen. „Man entdeckt in dieser Schau den Dialog mit den europäischen Surrealisten, aber auch die Differenzen und Unterschiede im Werk dieser ägyptischen Surrealisten“, betonte Kurator Bardaouil. Die Gruppe löste sich übrigens 1948 auf, nicht zuletzt, weil  man sich von den Pariser Surrealisten aufgrund politischer Streitigkeiten um Israel losgesagt hatte. Auch die politische Situation in Ägypten änderte sich nach dem Sturz der Monarchie in 1952. Viele der regierungskritischen Künstler verließen Ägypten, manche wurden inhaftiert. Ihr künstlerisches Wirken ist bislang nicht gewürdigt worden. Dies zu ändern ist auch Absicht der Ausstellung, die nach ihrem Ende in Düsseldorf auch ab Mitte November in der Tate Galery Liverpool und im kommenden Jahr im Moderna Museet in Stockholm zu sehen sein wird.
 

Katalog:
Art et Liberté. Umbruch, Krieg und Surrealismus in Ägypten (1938-1948), Editions Skira, Paris 2016,  224 Seiten, zahlreiche Farbabbildungen, Museumsausgabe zum Preis von 35,00 Euro.

Die Ausstellung ist dienstags bis freitags von 10 bis 18 Uhr sowie samstags und sonntags von 11 bis 18 Uhr geöffnet.
Kontakt: Kunstsammlung NRW (K20) - Grabbeplatz 5 - 40213 Düsseldorf - Tel: 0211 - 8381-730
 
Redaktion: Frank Becker