Verstand abgeben - und sich mitnehmen lassen

„Valerian – Die Stadt der tausend Planeten“ von Luc Besson

von Renate Wagner

Valerian – Die Stadt der tausend Planeten
(Valérian et la Cité des Mille Planètes - Frankreich 2017)

Regie: Luc Besson
Mit: Dane DeHaan, Cara Delevingne, Clive Owen, Rihanna u.a.
 
Der Franzose Luc Besson hat sich in der Welt des Films umgetan wie wenige, lustvoll die Genres bedienend, wobei er in den letzten Jahren vor allem als Produzent Euro-Krimis im Dutzend billiger herausgestoßen hat, vor allem die „Transporter“- und „96 Hours“-Filme. Als Regisseur ist er mit „Nikita“ und „Leon“ ebenso bekannt geworden wie mit seinem vielleicht besten Streifen: „Das fünfte Element“ mit Bruce Willis, vor 20 Jahren herausgekommen, war Sci-Fi auf bestrickendem Niveau, von ihm selbst ausgedacht. Vielleicht hätte er, wenn er nun in seinen späten fünfziger Jahren noch einmal Lust auf dergleichen bekam (der mittelmäßige „Lucy“-Film vor drei Jahren kann es ja, trotz beträchtlicher Kasseneinnahmen, nicht wirklich befriedigt haben), sich das Drehbuch wieder selbst erdenken sollen…
 
Stattdessen wählte Besson als Vorlage einen französischen Comic, der nun auch schon ein halbes Jahrhundert auf dem Buckel hat (und den er seit frühester Kindheit geliebt hat) – aber in der Zukunft altert man ja nicht, oder? 1957 erschien in der Comic-Zeitschrift „Pilote“ Valerian als Held eines Graphic Novels und fand sein Publikum, über Jahrzehnte hinweg bis 2010. Als seine Partnerin im 28. Jahrhundert – zuerst begegnen wir den beiden allein in einem Raumschiff – fungiert die selbstbewußte Laureline, und nach dem Prolog dürfen die beiden in Gestalt von Dane DeHaan (zuletzt in „A Cure for Wellness“, demnächst in „Tulpenfieber“ Aufmerksamkeit erregend unterwegs) und Cara Delevingne (im Leben ein Model, auf der Leinwand gewissermaßen auch) herumscherzen – er als notorischer Verführer, sie als spröde Schöne. Daß sie den ganzen Film hindurch auch bei abgefahrensten Abenteuern Humor und Selbstironie nicht verlieren, hilft der Geschichte – vor allem dort, wo sie schier endlos wird.
 
Zu Beginn aber gibt es jene Sequenz, die dann den Rest der Handlung bestimmt und wo man sich auf dem Planeten Mül in einer total künstlichen, zelebriert kitschigen, klebrig idyllischen, Avatar-artigen Welt befindet, deren Bewohner in Südsee-Paradies-Atmosphäre allerdings nicht in blau, sondern bleich und ätherisch herumschweben und Perlen sammeln (weshalb sie als „Pearls“ heißen) … bis die große Katastrophe kommt. Valerian erwacht mit einem Ruck, und man könnte sich vorstellen, daß er das alles nur geträumt hat – aber tatsächlich wird diese Vorgeschichte die Handlung mitbestimmen.
Daß man sich in Filmen dieser Art nie wirklich auskennt, weiß der Kinobesucher mittlerweile, und man konzentriert sich ohnedies auf die Optik, auf die Einfälle, mit denen künftige Welten beschworen werden – hier so märchenhaft, fast kindergerecht, daß man sich in einem wilden, grellbunten Bilderbuch wähnt, in dem sich die skurrilsten Gestalten tummeln, die sich die Alien-Phantasie von Künstlern und Ausstattern nur ausdenken können. Man wundert sich nicht eine Sekunde, wenn man von Produktionskosten in der Höhe von 180 Millionen Dollar liest…
Neben den teilweise schier unglaublichen Fantasy-Gestalten sind die „Bösen“ (ohne die geht es ja nicht) allerdings sehr menschlich und in Uniformen, und immerhin hat sich Clive Owen (dessen Karriere nach einem Höhepunkt vor rund zehn Jahren eher schlingert) in einer kaum ausgeführten Rolle in die Handlung verirrt – neben Rihanna mit einem skurrilen Auftritt einer der wenigen Star-Namen weit und breit, den Filme dieser Art ohnedies nicht brauchen.
Wenn Valerian und Laureline auf den Planeten Alpha kommandiert werden, wo es seltsam zugeht, muß man seinen Verstand abgeben und sich zweieinviertel Stunden lang in die wildesten und wüstesten Welten (sowohl was die Handlung wie die Orte betrifft) mitnehmen lassen, wobei man dann irgendwann auch den ätherischen Perlen-Menschen des Beginns wieder begegnet.
Am Ende hat man die Zeit – intellektuell nicht eben herausgefordert – in einem optischen Rausch verbracht und hört eigentlich nie auf, sich zu wundern, was Künstlern alles so einfallen kann. Schlechtweg Augen-betäubend.
 
 
Renate Wagner