Dümmlich statt komisch

„alibi.com“ von Philippe Lacheau

von Renate Wagner

alibi.com
(Frankreich 2017)

Regie: Philippe Lacheau
Mit: Philippe Lacheau, Élodie Fontan, Didier Bourdon, Nathalie Baye, Julien Arruti, Tarek Boudali, Nawell Madani u.a.
 
In der hohen Kunst des Seitensprungs, genauer: Ehebruchs, sind die Franzosen besondere Spezialisten – zahllose Theaterstücke wurden darüber geschrieben, zahllose Filme dazu gemacht. Meist verhalten sich Ehemänner allerdings ausgesprochen „patschert“, wie man in Wien sagt, und in unseren Zeit, wo man professionelle Beratung zu allem und jedem kaufen kann, ist eine Agentur, die sich gewissermaßen mit der Perfektionierung von Alibis befaßt, gar nicht so weit her geholt.
 
Also begegnet man die Grégory Van Huffel (Philippe Lacheau), dem Gründer von „Alibi.com“, der mit seinen Mitarbeitern Augustin (Julien Arruti) und Mehdi (Tarek Boudali) gewandt damit befaßt ist, Ehemännern (und bei bedarf auch Ehefrauen) auf Abwegen mit alternativen Handys und Kreditkarten und jeder Menge fest gefügten Alibis behilflich zu sein. Komisch und nicht einmal ganz unglaubwürdig, zumal die Darsteller als echtes Blödel-Trio agieren.
Und dann passiert – Komödiendramaturgie, selbstverständlich – zweierlei: Ein älterer Herr wird Kunde, er will mit seiner Geliebten ein ungestörtes Wochenende an der Cote d’Azur verbringen. Und Grégory verliebt sich in Flo Martin (Élodie Fontan), die absolute Wahrheit in Beziehungen auf ihr Banner geschrieben hat. Nicht gerade die ideale Partnerin für einen professionellen Lügner – der bald auch ihre Eltern kennen lernt. Und der neue Kunde, Gérard Martin (Didier Bourdon), ist der Papa von Flo, und die so nette Mama (die immer hinreißende Nathalie Baye) ist das Opfer des geplanten Betrugs.
Wie war das doch mit den patscherten Ehemännern? Während Papa Martin angeblich das Wochenende unbedingt „geschäftlich verreisen“ muß, beschließen die einsame Gattin samt Tochter ein günstiges Hotelangebot anzunehmen, das sie auf Papas Computer gefunden haben… genau das, wo er sich mit der selbstbewußt-erotischen Cynthia (Nawell Madani) hinbegeben hat. Von da an haben sich die Drehbuchautoren einiges von Feydeau abgeguckt, dessen Protagonisten sich ja auch in Hotels immer wieder über die Füße laufen – oder hektisch vor einander verstecken.
Wenn Monsieur in seinem Luxusressort in Cannes aus der Dusche kommt und statt der Freundin die Gattin vor sich hat, muß man sich erst einmal eine Erklärung einfallen lassen – und der als Feuerwehr herbei geeilte Grégory hat wiederum Cynthia zu beschäftigen, damit diese nicht lästig wird…
 
Da treibt es der Film von Philippe Lacheau (nicht nur Hauptdarsteller und Co-Drehbuchautor, sondern auch Regisseur, der schon für zwei französische Knallkomödien zuständig war) zu weit, verästelt sich in zu vielen sinnlosen Nebenhandlungen, scheut weder zotige noch penetrant peinliche Pointen, wird schrecklich dümmlich, statt komisch zu bleiben. Und am Ende trieft es angesichts des sich wieder findenden Ehepaars Martin geradezu („Man vergibt in dem Maß, wie man liebt“, muß Nathalie Baye flöten) … und die Schlußpointe zum Happyend des jungen Paares ist mehr als mager.
Daß Grégory am Ende beschließt, künftig Paare zusammen zu bringen, statt ihnen beim Betrügen zu helfen, könnte die ultimative satirische Superpointe sein, ist aber tatsächlich „brav“ gemeint… Französisches Kino fängt immer rasant an und landet stets auf Beschwichtigungswelle.
 
 
Renate Wagner