Die „Entsorgungs“-Debatte nutzt nur der AfD

Ein Kommentar

von Ulli Tückmantel

Foto © Anna Schwartz
Die „Entsorgungs“-Debatte nutzt nur der AfD
 
Von Ulli Tückmantel
 
Bis hinauf zum Bundespräsidenten hat mittlerweile die gesamte politische Elite der Bundesrepublik ihrer Empörung über die Äußerung des AfD-Spitzenkandidaten Alexander Gauland zu Protokoll gegeben, die Integrationsbeauftragte des Bundes, Staatsministerin Aydan Özoguz (SPD), in Anatolien entsorgen zu wollen. Diese Empörung, die sich an der Vokabel „entsorgen“ festmacht, ist falsch, scheinheilig und nützt ausschließlich der Afd.
Seit Tagen nämlich macht sich die AfD – und wer wollte ihr das seriös verdenken – einen werbewirksamen Jux daraus, darauf hinzuweisen, dass hier mit doppeltem Maß gemessen wird: 2013 wollte ein SPD-Politiker Angela Merkel entsorgen, in mehreren FAZ-Artikeln und -Überschriften wurden bereits Politiker entsorgt, ein Linken-Politiker wollte 2015 „besorgte Bürger“ entsorgen. Daraus basteln die AfD und ihre Anhänger nun die Botschaft: In Politik und Medien reden alle so, aber bei Gauland soll es ein Verbrechen sein. Und damit hat die AfD recht. Punkt.
Wer die Gauland-Debatte an einer Vokabel aufhängt, die ihn in der politischen Debatte vorher nicht gestört hat, misst mit doppeltem Maßstab. Das könnte man in einem ansonsten eher lahmen Wahlkampf kopfschüttelnd als unfreiwillige Unterstützung für diejenigen abhaken, in deren politischer Ablehnung sich alle anderen einig sind.
Aber empört es eigentlich niemanden, dass es dank dieser falschen Debatte dem AfD-Spitzenkandidaten gelungen ist, durch und durch rassistische, volksverhetzende und verbrecherische Drohungen in den Rang der Debatten-Tauglichkeit zu erheben? Gauland hat Anhänger aufgefordert, Özoguz einzuladen, „und sagt ihr dann, was spezifisch deutsche Kultur ist. Danach kommt sie hier nie wieder her, und wir werden sie dann auch, Gott sei Dank, in Anatolien entsorgen können.“
Statt ihm eine Plattform zu bieten, hätte die ARD am Montag in der Sendung „Hart, aber fair“ Gauland stellen müssen: Was genau ist eine „spezifisch deutsche Kultur“, nach deren Demonstration jemand nicht wiederkommt? Ein Pogrom im Fackelschein? Von welchem Staatsverständnis spricht es, wenn einer deutschen Staatsbürgerin damit gedroht werden soll, sie auszubürgern, weil sie dem völkischen Hundekrawatten-Geschmack des Herrn Gauland nicht entspricht? Das ist lupenreines Nazi- und Stasi-Denken. Egal, mit welchen Worten.
 

Der Kommentar erschien am 2. September 2017 in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.