Lustig erscheint, was mit Sicherheit nicht lustig war

„Barry Seal – Only in America“ von Doug Liman

von Renate Wagner

Barry Seal – Only in America
(American Made - USA 2017)

Regie: Doug Liman
Mit: Tom Cruise, Sarah Wright, Domhnall Gleeson u.a.
 
Wieder einmal eine „wahre Geschichte“, die man einem Drehbuchautor kaum glauben würde. Und doch dürfte sie sich ziemlich genau so abgespielt haben, wie in diesem Film dargestellt. Vielleicht erzählt sie auch nur von den USA als dem seltsamsten Land der Erde… wer weiß?
Im übrigen ist die Story von Barry Seal für Tom Cruise umgeschmiedet worden: von der Verbrecher- und Schurken-Geschichte, die es im Grunde zweifelsfrei war, zur augenzwinkernden Abenteuer-Ballade. Drogen- und Waffenschmuggel scheinen keine große Sache, wenn Tom so verschmitzt in die Kamera schaut und zeigen will, daß er zwar ein harter Bursche, aber nebenbei noch ein verdammt charmanter Kerl ist… Na ja.
 
Der originale Adler Berriman Seal, genannt „Barry“ (1939-1986), der natürlich nicht annähernd leinwandgerecht ausgesehen hat, war Pilot bei der amerikanischen Zivilluftfahrt. So, wie der Film von Doug Liman die Geschichte erzählt (der Regisseur hat immerhin schon Matt Damon als Jason Bourne und Brangelina als „Mr. Und Mrs. Smith“ auf die Leinwand geschickt), konnte er für die üblichen kleinen Zigarrenschmuggeleien, die vielleicht mancher Pilot mitbringt, zur „Mitarbeit überredet“ werden und flog Rauschgift für das Medellín-Kartell in die USA.
Als man ihn erwischte, wurde die Geschichte erst wirklich verrückt, denn da sah die CIA ihre Chance. Die Amerikaner, besonders begabt dafür, die falschen Regime zu unterstützen, hatten gar nichts dagegen, den Drogenkönigen von Nicaragua freie Hand zu lassen, wenn sie mit Hilfe von Barry Seal dann in schönen Dreiecks-Aktionen auch noch Waffen an die rechtsgerichteten Contras zu liefern konnten, die die kommunistische Sandinisten-Regierung stürzen sollten…
 
All das war natürlich völkerrechtlich so illegal wie nur möglich, aber sie taten es natürlich. Und mitten drin Barry Seal, für den der Umgang mit den unberechenbaren Südamerikanern so unangenehm war wie mit den opportunistischen CIA-Leuten, der aber immerhin bei seinen tollkühnen Flügen mit Kokain in Milliarden-Wert so ungeheuer reich wurde, daß er gar nicht wußte, wo er die Massen von Bargeld lagern sollte… Da kann Seal in Gestalt des fröhlichen Tom Cruise nur lachen und seine Frau immer wieder überzeugen, den Mund zu halten und zu allem Ja und Amen zu sagen. Auch als sie in einen entlegenen Flecken in Arkansas zogen (der Gouverneur hieß dort seit 1978 übrigens Bill Clinton…) und man ihm im abgelegenen Städtchen Mena einen eigenen Flughafen einrichtete, wo er mit seinen Flugzeugen ungestört abheben konnte. Und nach und nach lieferte Seal der CIA zusätzlich noch Luftaufnahmen der südamerikanischen Gebiete, die er überflog…
Ja, und wenn man Contras in die USA brachte, um sie für die gelieferten Waffen zu trainieren, dann blieben von diesen nicht viele übrig: Die meisten machten sich flugs auf Nimmerwiedersehen auf, um im Traumland Amerika zu verschwinden und nie wieder in ihren Dschungel zurückzukehren. So weit war es mit der Ideologie auch wieder nicht her. Und das alles klingt, so wie Barry Seal es als Erzähler berichtet und kommentiert, auch schrecklich lustig.
 
Wenn irgendwelche US-Behörden, die am Ende nicht hinter die Kulissen der eigenen Geheimdienste blicken konnten, Barry Seal legal etwas ans Zeug flicken wollten, konnte er nur lachen, so schnell war er wieder frei. Nur die Tatsache, daß die Drogendealer irgendwann sein Doppelspiel durchschauten und nicht amused waren, kann der Film dann doch nicht verschweigen: Barry Seal wurde 1986 von den Kolumbianern erschossen.
Ende der Geschichte, die der Film so launig und abenteuerartig erzählt – und vor allem nostalgisch. Das sind die späten siebziger und frühen achtziger Jahre in den USA, eine Welt ohne Computer und Handys, die Autos und Kleider so ungemein Vintage, und sogar die schlechten Farben und Wackelkameras passen sich dem Zeitalter an. Geradezu „dokumentarisch“.
Ist es, trotz der Tom-Cruise-Politur, vielleicht doch ein Film, der etwas über die damalige Zeit und die schier naiv erscheinenden Verbrechen der Reagan-Ära aussagt? Im Endeffekt vielleicht. Nur daß halt so lustig erscheint, was mit Sicherheit nicht lustig war.
 
 
Renate Wagner