Die Faszination der endlosen Weite

Sibyl Quinke – „Mongolei – Schlafen im 1000-Sterne-Hotel“

von Frank Becker

Die Faszination der endlosen Weite
 
Sibyl Quinke bereiste die Mongolei
 
Ist es die Stille, die Ihnen erlaubt, das Knistern der Sonnenstrahlen zu hören? Oder das „krp, krp“, das bei geschlossenen Augen an Ihre Ohren dringt und Sie jetzt erst gewahr werden, daß Pferde Sie besuchen? Ist es der Morgen, wenn Sie am Wüstenrand von Vogelgezwitscher geweckt werden, Vögel, die sich zwischen dem selten wachsenden Gestrüpp bewegen und ein unglaubliches Konzert geben? Da ist der Duft, der Ihre Sinne betört, wenn Sie auf Bodenpflanzen treten und Sie von den Ölen des Thymians oder Beifuß umhüllt werden. Da sind die Nächte in einem 1000-Sterne-Hotel. Was wird Sie bei Ihrer (Lese-)Reíse durch die Mongolei am meisten faszinieren?“ Schon wenn man diese Fragen des Klappentextes zu Sibyl Quinkes Buch liest, fängt man an, die Autorin, die Reisende zu beneiden. Dreimal ist Sibyl Quinke auf organisierten Touren in und durch die Mongolei gereist, zweimal im Sommer, einmal im harten Winter. Über ihre beiden Sommerreisen hat sie ein Buch geschrieben, einen Reisebericht, keinen Reiseführer, wie sie betont, dessen Titel ebenso lockt wie der Klappentext oben: „Mongolei – Schlafen im 1000-Sterne-Hotel“.
 
In unseren Großstädten, auch die Journalistin und Autorin Sibyl Quinke selbst lebt in einer solchen, nämlich Wuppertal am Südrand des Ruhrgebiets, ist uns heutzutage der beglückende, ja berauschende Blick auf den Sternenhimmel durch „Lichtverschmutzung“ verwehrt. Ich erinnere mich an das vielstimmige „Aaaah!“ im Planetarium Bochum, als der Vorführer dem Publikum den Sternenhimmel über Bochum erklärte und dann nach der Ankündigung: „…und jetzt zeige ich ihnen dem Himmel, wie er aussähe, wenn wir alles Stadtbeleuchtung abschalten würde“ einen Schalter umlegte. Ich war von der Pracht, wie ich sie aus meiner Kindheit kannte und fast vergessen hatte, so fasziniert wie alle unter der Kuppel, die das erlebten. Sibyl Quinke hat es in der mongolischen Steppe gesehen und wohl aus eben diesem tiefen Gefühl zum Titel ihres Buches gemacht.
Man kann dank des boomenden Tourismus heute bequem fast überall auf dem Globus hingelangen, kaum ein Fleckchen Erde ist nicht genauestens vermessen und wird von Reisegesellschaften bedient. Und doch: Es gibt Ziele, die ihre Exotik nicht verloren haben, so eben auch die Mongolei, selbst wenn die nomadisierenden Hirten im Zeichen des Fortschritts vermutlich schon Smartphones haben wie die Lappen Finnlands Gelände-Motorräder.
Zum Vergleich: Deutschland hat bei 357.385,71 km² Fläche 230 Einwohner pro km²- in der  Mogolei aber, mit 1.564.116 km² gut viermal größer, finden sich statistische 1,9 Einwohner pro km²! Was für ein Raum zum Atmen!
 
In diese schier endlose Weite, ein riesiges Land mit Steppen, der Wüste Gobi, alten Klöstern, und historischen Stätten wie die alte Hauptstadt Karakorum aus der Zeit des Khans und der neuen Ulaanbaatar (Ulan Bator) tauchte Sibyl Quinke ein. Die Begegnung mit einer fremden Kultur und Menschen von ausgesprochener Gastfreundlichkeit – Aufenthalte bei Nomaden-Familien und Übernachtungen in  Jurten und Zelten gehörten mit zum Reiseprogramm - haben sie für das Land eingenommen. Naturwunder wie die berühmten gigantischen Sanddünen, der Ulaan-Wasserfall, Gebirgsseen, Vulkane und heiße Quellen erwanderte die Reisende beim ersten Mal aus Neugier und Abenteuerlust, beim zweiten Mal aus Faszination für das Land am anderen Ende der Welt. Sie erzählt, begleitet von einigen Fotos von Romana Sandner, von Menschen und Tieren, von Volksfesten und Gebräuchen, dem Besuch von Klöstern und Kultstätten, vom Reiten auf Pferden und Kamelen.
Es war nicht immer alles unkompliziert, gelegentlich auch strapziös, und manch eine Mitreisende (überwiegend Frauen machen sich auf diesen Trip!) war gewöhnungsbedürftig, aber die Bilanz fällt unbedingt positiv aus. Über die dritte, die Winterreise erfahren wir noch nichts – aber kommt Zeit…
Ein lesenswertes Buch über eine Welt unter einem endlosen Sternenzelt, das allein schon mit diesem Bild lockt.
 
Sibyl Quinke – „Mongolei – Schlafen im 1000-Sterne-Hotel“
© 2017 Edition Oberkassel, 211 Seiten, Broschur, mit einigen Farbfotos von Romana Sandner
ISBN: 978-3-95813-0944
14,- € (D) / 14,40 € (A)
 
Reiseveranstalter:  www.mongolei-reise.de