Beckfelds Briefe

An Souraya

von Hermann Beckfeld

Hermann Beckfeld - Foto © Dieter Menne
An ihr kommt niemand vorbei. Sie sitzt hinter der Glasscheibe des Service-Centers und hat alles im Blick.. Mit ihrem unwiderstehlichen und doch geheimnisvollen Lächeln, stets hilfsbereit, charmant, freundlich sowieso, ein Glücksfall für jedes Unternehmen. Souraya, die Pförtnerin in unserem Pressehaus.
 
Liebe Souraya,
 
es gibt Pförtnerinnen und Pförtner, die sind hilfsbereit. Es gibt Welche, die sind hilfsbereit und nett zugleich. Wir im Pressehaus, liebe Souraya, haben Sie. Unsere Souraya, die uns morgens mit einem unwiderstehlichen Lächeln begrüßt und mit einem ebenso unwiderstehlichen Lächeln in die Mittagspause schickt. Es ist Ihre Charme-Offensive mit der ansteckenden guten Laune, die den Arbeitstag so angenehm begleitet.
Das Schöne: An Ihnen kommt niemand vorbei. Sie sitzen hinter der Glasscheibe des Service-Centers und haben alles im Blick. Den Eingang, die Zufahrt, auf den Monitoren das Parkhaus und die Rückseite des Gebäudes - und ich weiß nicht, wie Sie es anstellen - wohl auch jeden Mitarbeiter und Besucher. Jedenfalls haben Sie den Schlüssel schon in der Hand und ins Ausgabeheft Uhrzeit und meinem Namen eingetragen, wenn ich komme. Ich brauche nur noch zu unterschreiben und das Lächeln zu erwidern. Und das geschieht irgendwie von selbst, irgendwie magisch, und das scheint nicht nur mir so zu gehen.
Sie sind mehr als nur die Dame am Empfang, die Gäste weiterleitet. Sie sind ein Glücksfall fürs Unternehmen, für Besucher die erste Visitenkarte des Pressehauses. Wer zu uns kommt, nutzt meistens die schwarz-gelbe Begeisterung oder Wetterfloskeln für den Smalltalk-Einstieg. Jetzt schwärmen immer mehr von Ihnen: Das ist aber eine Nette… Viel Lob bekommen aber auch Ihre freundlichen Kollegen.
Seit Anfang Juni wachen Sie mit sanftem Blick über unseren Eingang, aber bisher wußte ich nicht mehr als Ihren Vornamen. Dank journalistischer Recherche, willkommenes Motiv war dieser Brief, weiß ich nun mehr. Sie stellen sich mit Souraya vor, weil sich Ihr Nachname Khodr nur schwer aussprechen läßt. Sie wohnen in Bochum, haben Ihre Ausbildung als Groß- und Außenhandelskauffrau mit einer Zweiplus abgeschlossen, und bevor Sie unsere Pförtnerin wurden, waren Sie für eine Krankenkasse tätig. Ich finde, Sie sind für ein Callcenter oder einen einsamen Schreibtisch-Job zu schade. Sie gehören in die Welt, ins Leben, unter Menschen.
Ich habe schon bei Firmenbesuchen alle Typen von Pförtnern kennengelernt. Die Unterwürfigen, die vor dem Chef strammstehen. Die Mächtigen, die sich aufspielen, als wenn ihnen der Laden gehören würde. Die Gelangweilten, die lustlos in Illustrierten blättern. Die Unnahbaren, aber immer Korrekten.
 
Liebe Souraya,
Sie haben mir noch mehr erzählt. Vom Libanon, Ihrem Heimatland, das Sie so sehr lieben, das Ihre Eltern mit Ihnen verlassen haben, als Sie drei Monate alt waren. Der Rest, er bleibt Ihr Geheimnis. Das Geheimnis hinter Ihrem unwiderstehlichen Lächeln.
(04.10.2014)
 


Mit freundlicher Genehmigung des Autors und des Verlags Henselowsky Boschmann.
„Beckfelds Briefe“ erscheinen jeden Samstag im Wochenendmagazin der Ruhr Nachrichten.
„Beckfelds Briefe“ gibt es auch in Buchform 

Redaktion: Frank Becker