An sich macht der Abend nichts falsch...

„Wie man Hasen jagt“ von Georges Feydeau im Theater in der Josefstadt

von Renate Wagner

Roman Schmelzer, Pauline Knof - Foto © Erich Reismann


Wien / Theater in der Josefstadt:
„Wie man Hasen jagt“
von Georges Feydeau

Premiere: 21. September 2017
Besucht wurde die Generalprobe
 
Wie man Hasen jagt“ war nicht das erste Stück, aber der erste Erfolg von Georges Feydeau (1862-1921), sozusagen das Grundmodell für alles Seitenspringe-Gehopse, das dann noch folgen sollte und ein eigenes Genre des französischen Boulevards begründete. Man hat dieses Stück und andere aus seiner Feder in Wien so oft gesehen, daß man sich fragt, ob sie eigentlich noch funktionieren, nicht zuletzt ihrer Vorhersehbarkeit wegen. Im Theater in der Josefstadt löst die Geschichte – in der im Grunde nur eine Häsin auf die Bühne kommt – nicht gerade brüllendes Gelächter aus.
Im Zentrum des Geschehens steht das offenbar sehr großbürgerliche Ehepaar Duchotel – Monsieur Duchotel, der sich angeblich immer auf Jagdausflüge zu seinem Freund Monsieur Cassagne begibt, während er eigentlich dessen Frau – na ja. Und Madame Duchotel (besonderes Kennzeichen: strohdumm, glaubt alles, was man ihr sagt), die wiederum vom Hausfreund, Monsieur Moricet, umworben wird. Als er ihr flüstert, daß sie betrogen wird, ist sie sofort zum Seitensprung bereit… die übliche Konstellation.
 
An sich sind es dann im zweiten Akt, der obligatorisch im Hotel (hier eher in einer Absteige) spielt, „nur“ Madame und Moricet, Duchotel und noch ein Neffe (beider Damen bleiben unsichtbar), die alle in demselben Etablissement zum selben Zweck zusammen kommen, wofür allerdings keine Zeit bleibt, da jeder vor jedem davonläuft, sich versteckt, und huch, fast entlarvt wird. Aber nur fast.
Und am Ende, der dritte Akt spielt bei Feydeau immer wieder im bürgerlichen Heim, ist außer Spesen nichts gewesen, außer dem fortwährenden Versuch, lügend, lügend und noch einmal lügend das zu camouflagen, was geschehen ist, was keiner wissen soll – und am Ende ist es der längst durchschaute betrügerische Ehemann, der zumindest von den bösen Absichten der Gattin nichts erfährt…
Das ist sehr schwer zu spielen, und es hat sich oft gezeigt, daß die Turbulenzen an sich schon so heftig sind, daß man sie besser nicht noch übersteigert. Diesen Fehler macht Regisseur Folke Braband nicht, der zwar einiges an Geturne und Gezappel bieten läßt, es aber nicht zum Selbstzweck ausartet. Letztendlich sind ein paar Purzelbäume der Heldin diesbezüglicher, erträglicher Höhepunkt (steht darum Kerstin Gmoser Danzer für „Choreographie“ im Programmheft?).


Martin Niedermair, Pauline Knof - Foto © Erich Reismann

 
Immerhin versucht Braband sich in Verfremdungseffekten, auch optisch: spielen Akt 1 und 3 irgendwo in einer gemäßigten Moderne des 20. Jahrhunderts (die Heldin ist schon fesch à la Zweiter Weltkrieg frisiert und gekleidet – Ausstattung: Stephan Dietrich), so darf es dann im Mittelakt die „originale“ Belle Epoque sein, die zuschlägt. Das ist zwar nicht zeitgemäß, aber jedenfalls ein Augenschmaus, vor allem in den Damenkleidern. Hie und da läßt der Regisseur auch mit Musik oder Lichtverwandlungen die Handlung retardieren, aber im Großen und Ganzen hat er vor allem für das nötige Tempo gesorgt.
Mit den Damen hat der Abend sehr gut gegriffen. Pauline Knof „has it all“, sieht gut aus, ist temperamentvoll, beweglich, pointensicher, trittfest. So tobt man als persönlichkeitsstarkes Dummchen herum uns setzt sich in Szene. In der Absteige reüssiert Elfriede Schüsseleder als Madame Latour nicht nur mit den kleidsamen Rüschen der Feydeau-Zeit, sondern auch mit souveräner Präzision, sprachlich und darstellerisch. Ein Dienstmädchen ohne weitere Möglichkeiten ist Gioia Osthoff, aber irgendwie muß man ja anfangen, und diese Dame ist jedenfalls ein Hingucker für die Herren.
Auf männlicher Seite ist das Besetzungsglück schwächlich. Man glaubt Roman Schmelzer, schmal und zapplig, zur Not gerade noch den Seitenspringer-Gatten, aber Martin Niedermair überzeugt wirklich nicht als lüsterner Liebhaber, da ist zu wenig Nachdruck, zu wenig überzeugende Fickrigkeit, zu viel spürbares Bemühen um scheinbare Natürlichkeit. Zwei Neuengagements des Hauses hatten in Nebenrollen keinen allzu überzeugenden Einstieg – weder Holger Schober mit dickem Dialekt, als proletarisch-betrogener Gatte noch Tobias Reinthaller, der für einen trickreichen Gymnasiasten nicht jung und beweglich genug ist. Dafür stürmt Alexander Strobele mit aller bürgerlicher Steifheit und gewollter, nicht erzielter grandseigneuraler Pose ins Geschehen.
 
An sich macht der Abend nichts falsch. Aber dergleichen besetzt man, wenn schon, denn schon, mit seinen besten, berühmtesten „ernsten“ Schauspieler, die sich bei solchen Gelegenheiten einen Jux machen. Für doch eher glanzloses Durchschnitts-„Repertoire“ eignet sich so ein Feydeau-Abend nicht.
 
Renate Wagner
 
Weitere Informationen: https://www.josefstadt.org