Großer Ring mit Außenschleife

Peter Waller – „Unterwegs mit Bimmel, Rumpel und Elektrischer“

von Frank Becker

Titel: Augsburg 1968
Großer Ring mit Außenschleife
 
Eine illustrierte Geschichte der
deutschen Nachkriegs-Straßenbahnen
 
Straßenbahn, Tram, Elektrische – wer sie erlebt und benutzt hat, wird mit Wehmut an ihre Zuverlässigkeit, ihre Geräusche und das Fahrgefühl denken. Denn sie gehört vielerorts nur noch der Erinnerung. In dem rumpelnden, aber soliden Transportmittel gab es neben dem Fahrer, der sich nur auf den Weg zu konzentrieren hatte - „Nicht mit dem Fahrer sprechen!“ - einen Schaffner, der Fahrscheine kontrollierte und verkaufte - „Noch jemand ohne Fahrschein?!“ – und die Haltestellen ausrief. Sie wurde unvergeßlich vom Weiß Ferdl in seinem Münchner Sketch „Ein Wagen von der Linie 8“ besungen, liebevoll in dem Berliner Fernseh-Film „Großer Ring mit Außenschleife“ von Heinz Oskar Wuttig mit Gustav Knuth und Kurt Pratsch-Kaufmann gefeiert und von Root Leeb in ihrem Alltags-Roman „Tramfrau“ gewürdigt.
Aus dem Nachkriegsdeutschland der Wirtschaftswunderzeit war die Straßenbahn schlicht nicht wegzudenken. Sie gehörte in Großstädten zum Stadtbild wie Litfaßsäulen oder Verkehrspolizisten, war gewissermaßen auch das Statussymbol einer Stadt und transportierte die Menschen überall hin. Nichtsdestoweniger wurden gerade in und nach dieser Zeit viele Straßenbahnen eingestellt und durch die vermeintlich praktischeren Busse ersetzt. Die Züge wurden in ferne Länder verkauft, die Schienen entfernt und verschrottet.
 
Nehmen wir als Beispiel Wuppertal im Bergischen Land. Die langgezogene Stadt in einem Tal zwischen steilen Anhöhen hatte trotz ihrer schwierigen Topographie mit der Straßenbahn ein Verkehrsmittel, das seine Fahrgäste zuverlässig auch im Winter auf die Anhöhen brachte und so in Gemeinschaft mit der ebenfalls eingestellten Bergbahn die Verbindung zu den umliegenden Städten Remscheid, Solingen und Velbert zu jeder Jahreszeit gewährleistete. Wenn heute auch nur geringe Mengen Schnee fallen, strecken die Fahrer der Gelenkbusse, die jetzt auf diesen Strecken verkehren, die Waffen, weil es einfach nicht möglich ist, so ein instabiles Gefährt und seine Fahrgäste bei Eis und Schnee sicher ans Ziel zu bringen. Aber schlauer ist man ja bekanntlich immer erst hinterher.

Der englische (!) Schienen-Fan Peter Waller hat sachkundig aus den Beständen des britischen Online Transport Archive geschöpft und einen Bildband über deutsche Straßenbahnen der 50er, 60er und 70er Jahre zusammengestellt, der sich auch vor deutschen Augen sehen lassen kann. Alphabetisch nach Orten und Strecken von Aachen bis Zwickau geordnet hat er in dem britischen Bildarchiv herrliche Bilder aus beiden Deutschland ausgegraben, die bisher unveröffentlicht waren und für Bahn-Fans ein echtes Zuckerl sind. Man sieht die Vielfalt der Baureihen, die einmal viele Arbeitsplätze in Herstellerwerken wie Esslinger, OEW, Düwag, MAN, VEB Waggonbau, Hansa-Waggonbau, HAWA, MaK, Reko, Westwaggon etc. geschaffen haben. Auch die Arbeitsplätze in den Bahnen fielen weg, denn heute muß der Busfahrer Karten verkaufen, Fragen beantworten – und fahren. Das kann, mal abgesehen von den Tausenden entlassenen Schaffnern, nicht gut sein.
 
Das gelungene Buch aber, das mit 225 Farbfotos die Geschichte der deutschen Nachkriegs-Straßenbahnen wieder zum Leben erweckt, ist purer Genuß. Eine Empfehlung der Musenblätter nicht nur für Tram-Fans.
 
Peter Waller – „Unterwegs mit Bimmel, Rumpel und Elektrischer“ 
Deutschlands Straßenbahnen der 50er, 60er und 70er Jahre
© 2017 Motorbuch Verlag / transpress, 160 Seiten, gebunden, 23 x 26,5 cm, 225 Farbbilder - ISBN: 978-3-613-71545-5
29,90 €
 
Weitere Informationen:  www.paul-pietsch-verlage.de