Drall

Atelierbesuch bei Elke Tenderich-Veit in Langenfeld-Wiescheid

von Jürgen Koller

Elke Tenderich-Veit

Rund und drall

Atelierbesuch bei Elke Tenderich-Veit in
Langenfeld-Wiescheid


Der Kontrast könnte nicht größer sein – die Bildhauerin zierlich, schmal von Gestalt und von mittlerer Größe ist genau das Gegenteil dessen, was sich an üppigen Skulpturen und Kleinplastiken im Atelier der Künstlerin findet.
Elke Tenderich-Veit, 1947 in Dortmund geboren, hat nach einem Praktikum als Holz- und Steinbildhauerin bei N. Ahlmann  ein Studium an der Folkwangschule für Gestaltung in Essen,  Abteilung Plastik, bei Professor Wamper absolviert. Seit 1985 ist sie freiberuflich als Bildhauerin tätig. Sie lebt in Monheim am Rhein. Ihr künstlerisches Arbeitsfeld hat sie jedoch im benachbarten Langenfeld, weil sie im dortigen sehr aktiven Kunstverein Gleichgesinnte, aber auch eine interessierte Öffentlichkeit fand. Im Kunstverein fungiert sie als 2. Vorsitzende. Die Suche nach einem funktionsgerechten, auch bezahlbaren Atelier hat vor einigen Monaten ein glückliches Ende gefunden – in dem von der evangelischen Kirche aufgegebenen Gemeindehaus im Langenfelder Ortsteil Wiedeid, nahe bei Solingen-Ohligs, hat sich die Bildhauerin in der dortigen Produzenten-Galerie „Wiegescheid“ ihr Atelier eingerichtet.


"Sich Abtrocknende"

Dralle Weiblichkeit


Elke Tenderich-Veit arbeitet ihre - fast durchweg weiblichen - Figuren nicht aus dem Stein heraus, sondern formt und modelliert in Ton und Gips. Ihr bevorzugtes Guß-Material ist Bronze. Doch muß die Künstlerin aus Kostengründen oftmals auf Beton oder Zement, kombiniert mit Blei, ausweichen. Für kleinere Plastiken kommt ihr hart gebrannte Keramik entgegen.
Keine überlangen, ausgedünnten Giacometti-Figuren bevölkern Regale oder Sockel, sondern runde und dralle Weiblichkeit sticht wohlgefällig dem Betrachter ins Auge. All diese weiblichen Figuren mit ihren oftmals barocken Rundungen sind wahrlich keine „Hunger-Haken“, wie wir sie aus der Mode-Branche kennen, sind keine Nahrungsverweigerer. Tenderich-Veit mag die ‚gebauten’ Skulpturen - da sind feste, derbe Schenkel, runde Leiber, Gesäße von beachtlicher Fülle, stramme Arme und kugelige Brüste und Köpfe. Der Formenkanon eines Paul Cézann mit Kubus, Kugel und Kegel oder die Körperstrukturen eines Alexander Archipenko oder eines Henri Laurens glaubt man in diesen Skulpturen nachweisen zu können.
Auffällig ist bei Tenderich-Veit die Lust an erotischer Provokation. Das steigert die Künstlerin noch durch bewußt eingesetzte Drehbewegungen im Figurenaufbau. Die auf einem Bein stehende „Sich-Abtrocknende“ tariert Ihre Körpermasse fast schon mit Eleganz aus.
Um einiges komplizierter sind jene weiblichen Gestalten zu erfassen, deren Körper oder auch Köpfe teils mit Blei verhüllt sind.
So die „Auf dem Bauch Liegende“, die ihr prächtiges Hinterteil lustvoll dem Betrachter entgegenreckt und ihre Reize feil bietet. Aber auch diese vergleichsweise kleine Skulptur gewinnt aus der Übersteigerung des Körperlichen  ihre Faszination.

 „Auf dem Bauch Liegende mit Pumps“

Lustobjekt oder Provokation ?


Mit dem generellen Verzicht auf Individualisierung dieser Figuren und der oftmals gleichzeitigen Zurschaustellung schwellender Körperformen ließe sich eine mögliche Ausdeutung in zwei Richtungen finden - zum einen das ‚Weib’ als ‚gesichtsloses Lustobjekt’ in einer noch immer männlich dominierten Welt und zum anderen das Bemühen, weibliche Subjekte zu zeigen, die in der modernen Gesellschaft das noch aus grauer Vorzeit stammende Rollenbild, eben die undurchdringliche Bleihülle abzustoßen versuchen.
Die  blau eingefärbte Figur assoziiert dagegen beim Betrachter  die Geburt der Venus aus einer

"Unbenannt"
Muschel. Dies Wechselspiel aus femininem Lustgebaren, intellektueller Selbstfindung und Phantasie anregender Verschlüsselung macht diese Skulpturen-Kunst  so spannend.

Realismus


Aber natürlich kann Elke Tenderich-Veit  auch anders – die Auftragsarbeit „Postillion und Christel von der Post“ vor der Langenfelder Stadtgalerie hat sie mit künstlerischer Verve und einer gewissen unterschwelligen Heiterkeit umgesetzt. Die beiden leicht überlebensgroßen Figuren, die Bezug nehmen auf die jahrhundertlange postalische Tradition der Stadt Langenfeld - sie war Pferdewechselstation für die Postkutschenstrecken Köln/Düsseldorf bzw. Köln/Solingen und Elberfeld - bedurften einer realistischen, zugleich aber einer freien, phantasiereichen bildhauerischen Sicht. Selbst hier ist der lustvolle Umgang mit dem ‚Körperlichen’ zu spüren, zeichnet doch beide eine gewisse ‚rustikale Drallheit’ aus. Die Oberfläche der Bronze ist griffig strukturiert und meidet elegante

"Postillon und Christel von der Post"
Glätte. Die Pflasterrahmung  mit Kiesbett um die Doppel-Plastik ist übrigens eine Erfindung der städtischen Kunstpflege und geht nicht zu Lasten der Bildhauerin.

Spare in der Zeit...

Nach so viel ernsthafter  Kunstbetrachtung, abschließend ein kleiner Bildhauer-Scherz, der sich im Atelier von Elke Tenderich-Veit auch noch findet. Der rundlich, füllige Torso im Bade-Dress, 30 cm hoch, ist als Sparbüchse gedacht. Der Busenschlitz der jungen Dame fungiert als Münzeinwurf – nur: es gibt am Boden keine Öffnung. Wenn man an sein kleines Sparvermögen gelangen will, muss die hübsch anzuschauende Keramik zerschlagen werden. Doch wer brächte das wohl über’s Herz? Also bleibt diese stramme Lady eine, wenn auch zinsfreie Sparanlage für alle Zukunft.

Für die Veröffentlichungs-Freigabe ihres Porträtfotos und der Skulpturen-Abbildungen  ist der Bildhauerin Elke Tenderich-Veit zu danken.
Alle Fotos © Margot Koller
Eventuelle Atelierbesuche sind nach telefonischer Vereinbarung über die Tel. 02173 / 295 4260  möglich.