Es ist stets peinlich, wenn den Zuschauern zu viel erklärt wird...

„Life Guidance“ von Ruth Mader

von Renate Wagner

Life Guidance
(Österreich 2017)

Drehbuch und Regie: Ruth Mader
Mit: Fritz Karl, Katharina Lorenz, Florian Teichmeister, Petra Morzè,
Nicolas Jarosch, Martin Zauner, Peter Vilnai, Alfons Mensdorff-Pouilly u.a.
 
Die optimistischen Zeiten sind lange vorbei, wo man in die Zukunft als wunderbare Utopie geblickt hat. Heute sind nur noch die „Dystopien“ angesagt, die negativen Angstbilder in die Richtung, wohin sich eine Gesellschaft entwickeln kann. Dabei findet die österreichische Regisseurin Ruth Mader in dem Film „Life Guidance“ einen bemerkenswerten Schnittpunkt – manches, was sie hier in ihrer Hyper-Zukunftsgesellschaft schildert, gibt es schon, etwa die weitgehend strikte Trennung der Gesellschaft in „gute Viertel“ und schäbiges Prekariat, an das man als wohlbestallter Bürger möglichst nicht anstreift.
Andererseits zeigt die Regisseurin die perfekte neue Welt, die sich völlig in die Unfreiheit ihrer Entscheidungen und ihres Verhaltens begeben hat, die den gesellschaftlichen Druck zur Uniformität akzeptiert, ziemlich althergebracht und eindimensional. Die Familie wirkt so flach wie das modern-kühle Haus, in dem sie wohnen – Alexander (ein in der richtigen Attitüde steifer Fritz Karl) und Anna (Katharina Lorenz, undurchschaubar glatt), wie geschleckt, samt Vorzeige-Sohn Franz (Nicolas Jarosch). Spätestens, als man erfährt, daß in der Schule genau nach dem Verhalten und den Äußerungen der Eltern gefragt wird, erhält man bestätigt, was man ohnedies vermutet – das ist eine weitgehend totalitäre, überwachte, in ihren Lebensäußerungen genormte Welt (später wird man Aufzeichnungen der Ehefrau über den Mann finden… für wen wohl?).
 
Immerhin ist es nicht der Staat, sondern ein privater Konzern namens „Life Guidance“, der eines Tages in Gestalt eines ungeheuer triefend-schmierigen, penetrant-beharrlichen Agenten vor der Tür steht (Florian Teichtmeister) und Alexander klar macht, daß da noch ein bißchen „optimiert“ werden muß, bevor man so richtig in seine Welt paßt. Denn, wie er am Beispiel angstvoller Kollegen gehört hat, wer nicht funktioniert, wird aus dem Verkehr zu gezogen – wer will schon in einer „Schlafburg“ landen?
Erst das reißt Alexander aus seiner gedankenlosen Zufriedenheit mit einem angenehmen Wohlstandsleben (danke, es geht uns gut, natürlich sind wir zufrieden, wenngleich die Situation in seiner Firma nicht komplett glatt läuft – immer ja sagen oder nach besserem Wissen auch einmal „nein“?) Er glaubt nicht, daß er sich optimieren muß, so sehr man ihm auch zusetzt (ölig: Martin Zauner).
Also beginnt er, ein wenig zu recherchieren – und findet eine Frau, die von „Life Guidance“ quasi kaputt gemacht wurde (Petra Morzé), driftet in Unterschichtswelten ab, von denen er gar nichts gewußt hat (Wiener Vorstadt um einiges übersteigert), und gerät schließlich sogar in die „Life Guidance“-Zentrale, die zwar wie ein Hochsicherheits-Gebäude angelegt ist, wo er aber dann doch (es ist halt ein Drehbuch, nicht Wirklichkeit) unter seinem Namen rätselhafte Videos findet… ob diese (sie zeigen etwa, wie sein derzeitiger Sohn ein Baby-Geschwisterchen in der Wiege umgebracht hat!) Realität oder Druckmittel sein sollen, wird nicht klar. Wie so manches nicht in diesem Film, in dem der alte Vater von Alexander (Peter Vilnai), der es offenbar nicht in die Wohlstandsgesellschaft geschafft hat, in einem Spitalsbett wie in einem Käfig dahinstirbt…
 
Damit keine Zweifel aufkommen, was mit all dem gemeint ist (und es ist stets peinlich, wenn den Zuschauern zu viel erklärt wird, weil man sie ja doch für die Idioten hält, die nicht ihre eigenen Schlüsse ziehen können): Am Ende gerät Alexander in eine Jagdgesellschaft. Da trifft man auf darstellerisch Gewichtiges wie Udo Samel und Johann Adam Oest und sogar auf Echtes, was aber nur Eingeweihte erkennen werden (Alfons Mensdorff-Pouilly, Adel, Gatte einer Ex-Ministerin und auch schon mit dem Kriminal Bekanntschaft gemacht habend): Genau die Richtigen, einem Mann wie Alexander mit Suada zu sagen, daß er und seinesgleichen nur bekommen, was sie verdienen – und was sie letztendlich wollen. Bezahlt wird bekanntlich immer, so oder so.
Die Aussage, so simpel wie sie da auf der Hand liegt, könnte dünner und abgegriffener nicht sein: Individueller Widerstand gegen die Materialismus-Kapitalismus-Konformismus-Gesellschaft sei angesagt. Nicht mit dem guten Leben bewenden lassen (die Minorität, für die das eben gilt!), sondern ein bißchen nachfragen, wo die wahren Werte liegen. No na. Für Helden Alexander scheint es eher zu spät: Wenn man es recht verstanden hat, resigniert er angesichts des Drucks von außen. Ja, auch Pessimismus ist angesagt.
 
 
Renate Wagner