Ein hervorragender Film: Amüsant und traurig, nachdenklich und emotional

„Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ - von Martin McDonagh

von Renate Wagner

Three Billboards
Outside Ebbing, Missouri
(GB/USA 2017)

Drehbuch und Regie: Martin McDonagh
Mit: Frances McDormand, Woody Harrelson, Sam Rockwell, Peter Dinklage u.a.
 
Theaterfreunde kennen den irischen Dramatiker Martin McDonagh, Jahrgang 1970, schon lange. Mit so gut wie allen Stücken, die man hierzulande von ihm gesehen hat, ist er gnadenlos ins Extreme gegangen. Als Filmemacher ist er weniger gleichmäßig in Stil und Erfolg: 2008 ging es in „Brügge sehen… und sterben?“ um zwei Killer, und das war sehr komisch. 2012 haben die „7 Psychos“ Kopfschütteln erzeugt, weil McDonagh eine Phalanx von echten Spinnern so lustvoll und so völlig neben der Realität her zelebriert hat. „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“, im Vorjahr entstanden, heuer bei den „Oscars“ ,mit Bester Film, Beste Hauptdarstellerin, gleich zwei beste Nebendarsteller, sieben Nominierungen im Ganzen groß dabei, ist nun ein Zwischending zwischen grausamer Komik und einer Art von Nachdenklichkeit, wie man sie von Martin McDonagh bisher so nicht kannte.
 
Gibt es diesen titelgebenden Ort „Ebbing“ in Missouri (einer der US-Staaten mit den meisten Hinrichtungen) überhaupt? Im Internet nicht zu finden, weil zu Ebbing zwar über 13 Millionen Ergebnisse zu finden sind (die wohl niemand durchsieht), sich aber offenbar nur auf den Film beziehen. Aber es ist egal – Ebbing steht für Kleinstadt. In einem Trump-Amerika, ja, das zweifellos. Dort, wo – wie in jeder Kleinstadt weltweit – jeder jeden kennt, betreibt Mildred Hayes einen schlichten Laden und trägt Wut und Haß im Herzen. Ihre Tochter ist ermordet worden – und damit läßt es die Polizei offenbar bewenden. Bis sie zur aggressiven Tat schreitet. Da gibt es drei riesige Plakatwände an der Ausfallsstraße. Sie mietet den Platz und läßt Plakate drucken. „Vergewaltigt, während sie im Sterben lag“, steht darauf: Und „Noch immer keine Verhaftungen?“ Schließlich: „Wieso, Chief Willoughby?“ Schlimmer kann man die Behörden kaum provozieren. Es ist das meist bewegungslose, aber von Entschlossenheit gezeichnete Gesicht von Frances McDormand, das diese Wut-Bürgerin kennzeichnet und glaubhaft macht.
 
Und ihr stehen die auf Anhieb wahrlich nicht sympathischen Sheriffs gegenüber: Zuerst Woody Harrelson als Bill Willoughby, der ja vielleicht Verständnis hat, aber eigentlich soll Mildred doch bitte Ruhe geben. Bis er sich – für alle völlig überraschend, der Kinobesucher weiß mehr – umbringt, und der Ort natürlich Mildred die Schuld dafür gibt. Und da ist, noch viel schlimmer, Sam Rockwell als Officer Jason Dixon, so hochmütig und arrogant, daß ihn Willoughbys Nachfolger (Dixon kann es sozusagen nicht fassen, daß man ihm einen Afroamerikaner vor die Nase setzt) hinausschmeißt. Und wenn dann Mildreds Plakatwände brennen…
… nein, dann geht es nicht weiter, wie schlichte Durchschnittsgemüter es sich vorstellen würden. Das ist die Stärke von Martin McDonagh: Es fällt ihm was ein. Vielleicht manchmal ein bißchen kunstvoll, ein bißchen Literatur. Aber die Drehungen und Wendungen der Geschichte sind brillant. Und nur „Gute“ und nur „Böse“ gibt es da nicht. Mildred ist ja auch sehr am Rande des Kriminals, wenn sie als Rache für ihre Plakatwände nicht weniger als das Polizeirevier anzündet. Und daß ihr ausgerechnet ein daherkommender Nachbar (bei dem kleinwüchsigen Peter Dinklage kann man gar nicht anders, als an „Game of Thrones“ zu denken) ein Alibi gibt… Und daß Willoughby gar nicht so mies war, und daß Officer Dixon zu Einsichten imstande ist, würde ein „normales“ Drehbuch auch nicht anbieten. Kurz, es geht rund – nicht zuletzt mit der Suche nach dem Mörder der Tochter.
Martin McDonagh, der nie heikel in seinen Mitteln war, läßt die Situation in Ebbing, Missouri, ganz schön hoch kochen, ein bißchen Hölle im ländlichen Amerika, wo Recht und Unrecht durcheinander wirbeln und es offenbar mehr Verrückte gibt, als man annehmen möchte… Sie sind schließlich die Spezialität dieses Martin McDonagh.
All das ist immer wieder schreiend amüsant und doch sehr traurig, mit einem bewundernswert nachdenklichen Ende. Wo es den entscheidenden Leuten klar wird, daß man nicht immer weiter wüten kann oder sollte… Kurz, eine Hochschaubahn der Emotionen.
 
 
Renate Wagner