Es lohnt, sich auf diesen Film einzulassen

„Wind River“ von Taylor Sheridan

von Renate Wagner

Wind River
(GB, Kanada, USA 2017)

Regie: Taylor Sheridan
Mit: Jeremy Renner, Elizabeth Olsen u.a.
 
Auch wenn draußen subtropische Temperaturen herrschten – in diesem Film würde man frieren (als Zuschauer im Kinosessel nämlich). Denkt man an diesen „Wind River“ von Regisseur Taylor Sheridan zurück, so ist es nicht in erster Linie die Handlung, die in Erinnerung bleibt, sondern der Winter. Die Atmosphäre in den schneebedeckten Wäldern von „Wind River“, dem trostlos gezeichneten Indianerreservat in Wyoming, ist stärker als alles andere. Was nicht heißen will, daß man sich auf diesen trotz der grausigen Handlung extrem stillen Film nicht mit Interesse einläßt. Wenn man selbst bereit ist, sich in diese Welt quasi meditativ einzulassen.
Jeremy Renner, der so oft von einer gewissen negativen Aura umgeben ist, spielt hier Cory Lambert, einen ruhigen, innerlich verletzten, schweigsamen Mann, der „weiße“ Ranger, der sich hier unter den Indianern aufhält, die er gut kennt und die dennoch gegenüber seinesgleichen (berechtigte) feindselige Vorurteile hegen. Immer wieder verschwinden in diesem riesigen Gebiet Menschen auf Nimmerwiedersehen (auch, wie man später erfährt, einst Corys Tochter). Oder man findet eine Frauenleiche im Schnee… Das Opfer ist ein Indianermädchen, und ihr Vater legt rituelle Gesichtsbemalung an, wenn er um sie trauert.
 
Wenn nun das FBI aus Las Vegas die junge Beamtin Jane Banner (Elizabeth Olsen) schickt, um das Verbrechen aufzuklären, wäre das – so offensichtlich unerfahren und noch dazu eine Frau, wie sie ist! – für einen üblichen Film eine grausame Mobbing-Geschichte. Nicht hier, wo Cory das gelassen hinnimmt und zu jeder Hilfe bereit ist. Es scheint dem Kinobesucher nur gänzlich unmöglich, hier in der menschenleeren Wildnis einen „Täter“ auszumachen, und auf äußere Spannung hat Regie-Debutant Taylor Sheridan (er hat bisher erfolgreich Drehbücher geschrieben, auch dieses) nicht gesetzt.
Vielmehr stellt er die Frage, wie man in dieser Welt lebt, ohne daß er die tragische, weil perspektivelose Situation der Indianer spektakulär ausreizen würde – und zeigt dann, mit einer höchst geschickter Rückblende, wie eine Situation mit einer Frau und vielen Männern ausrastete und zu dem Gewaltverbrechen führte. Die Lösung hat sich quasi durch Zufall ergeben, einfach dadurch, unaufhörlich die Gegend zu durchstreifen. Und dann darf auch die junge Agentin zeigen, daß sie zumindest so weit im Nahkampf ausgebildet wurde, um auch mit gewaltbereiten Situationen umzugehen.
Aber das macht diesen Film noch nicht zu „Action-Kino“, und die Bezeichnung „Schnee-Western“ ist wohl eher von der Werbung erdacht, als daß er wirklich ins Schwarze träfe. Eigentlich wird man in ein kaltes, verlorenes Eck dieser Welt mitgenommen, von dem man nichts wußte und dessen Trostlosigkeit man sich kaum vorstellen konnte. Ein trauriger Film, nehmt alles nur in allem. Im Nachspann liest man, wie viele Menschen dort in der Natur vermißt werden, ohne daß man je erfährt, was mit ihnen geschehen ist. In diesem Sinn konnte die schöne Indianerin (der man in der Rückblende höchst lebendig begegnet) zumindest einigermaßen „gerächt“ werden… wie das Kinogesetz es befiehlt.
 
 
Renate Wagner