Das Suchen des Gesuchten Neulich sagte ein gar nicht so alter Mann: Das mit der Hüfte war ja eine lange Geschichte. Es ist vorbei, aber das Suchen, das hört nie auf. Täglich verleg ich etwas, zum Beispiel die Brille. Mir passiert das nicht, ich habe fünf Brillen. Ich muß allerdings zugeben, daß es mich genau so ärgert sie ihn, wenn ich eine von den Fünfen verlege. Aber es kommt auch vor, daß ich mich aufmandele und stumm aufschreie: Jetzt ist Schluß. Ich habe die Nase voll. Es muß ja da und da sein. Ganz anders verläuft es mit dem Heiligen Antonius, dem Heiligen für verlorene Sachen. Wenn er hilft, tut er es immer in einem völlig unerwarteten Augenblick oder in einer völlig unerwarteten Situation. Er läßt sich dabei nicht beobachten. Die Betrachtung soll nicht ohne eine Handreichung enden. Wir Vergeßlichen sollten so viele Überprüfungs-Mechanismen (rechtzeitige!) einbauen wie möglich. Einen Raum nicht verlassen, ohne uns abzufragen, was wir übersehen haben könnten. Oder kein Auto, kein Bad, kein Restaurant. Wenn ich ins Altersheim einziehen sollte, werde ich dies hier an meine Zimmertür pinnen. Es hilft bestimmt. Ach ja, mein Trick bei dieser Handreichung: Durch solch einen Willensakt die Souveränität gegenüber dem Dämon der Vergeßlichkeit zurückgewinnen. Viel Glück.
© Karl Otto Mühl - Erstveröffentlichung in den Musenblättern 2008
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