Witterungen - Photographische Aufzeichnungen zwischen Landschaft und Lebenswelt

Eine Ausstellung der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur Köln

von Andreas Rehnolt/Red.

Paola De Pietri Ohne Titel, 2014, aus der Serie Questa Pianura, Ausschnitt © Paola De Pietri

Witterungen -

Photographische Aufzeichnungen zwischen Landschaft und Lebenswelt
von Laurenz Berges, Michael Collins und Paola De Pietri
 
Eine Ausstellung der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur
Köln in Zusammenarbeit mit den Künstlern


bis 8. Juli 2018
 
Das Projekt „Witterungen“ der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur in Köln stellt drei Positionen aus drei verschiedenen Ländern vor: Laurenz Berges (*1966) aus Düsseldorf, Michael Collins (*1961) aus London und Paola De Pietri (*1960) aus Reggio Emilia, Italien. Mit ihren Photographien fokussieren sie auf landschaftliche und bauliche Phänomene, die sie überwiegend in der näheren Umgebung ihrer Ateliers bzw. Wohnorte entdeckt haben und insofern einer langfristigen Betrachtung unterziehen können. Alle drei bemerken in aller Achtsamkeit den minutiös verlaufenden Wandel ihrer Umwelt und nutzen ihre Großbildkameras und die damit erreichbare hohe Abbildungsqualität zur Dokumentation der faktischen und atmosphärischen Gegebenheiten.
Der Begriff „Witterung“ findet in den Photographien der drei Künstler vielschichtige Analogien. Er kann sich auf das Wetter beziehen, aber auch eine Form von Intuition und Zersetzung, der Auflösung und Transformation finden Veranschaulichung. Vorgestellt werden dokumentarische, vor allem aber kontemplative Photographien, die sich vorschnellen Antworten verweigern, das Metier an seine Grenzen führen und die visuelle Neugierde herausfordern.

Das Motivspektrum von Laurenz Berges bezieht sich auf Konstellationen urbaner Landschaft, auf Bauten, Konstruktionen und Räume, die über Jahrzehnte genutzt, ge- und verbraucht, oft auch verlassen von der Geschichte alltäglicher Geschehnisse berichten. Das Ruhrgebiet ist ein bevorzugtes Arbeitsterrain. Dort findet er etwa schlicht gebaute Reihenhäuser der Nachkriegszeit; entdeckt einen Fassadenvorsprung eines Gründerzeithauses, der eine skurrile, scheinbar zwecklose, hölzerne Umrahmung aufweist; drei an einer unzählige Abnutzungspuren aufweisenden Wand angeordnete Klingeln, deren Namenschilder nur noch verschwommen lesbar sind; eine Platane, die vor langer Zeit gepflanzt, ihr Wurzelwerk unter den Gehweg geschoben hat, sodass einige Steinplatten bereits abgehoben sind. Doch niemand scheint diesen Weg mehr entlang zu gehen, die Straßenzüge, die Berges photographiert, wirken verwaist, ohne Anzeichen zukünftiger Modernisierung.
In Laurenz Berges Aufnahmen scheint die Zeit still zu stehen, allein der gründlichen Betrachtung gilt Dauer. Angesichts seiner Bilder wird gut vorstellbar, wie sich der Künstler zur Umsetzung seiner photographischen Interessen langsam vortastend seinem Umfeld nähert, sich einfühlt und „eindenkt“ in die Atmosphäre des Orts, der dort angetroffenen Gegenstände, Materialien und der dort vielleicht geschehenen Situationen.

Von Michael Collins wird eine Auswahl aus drei unterschiedlichen Werkbereichen vorgestellt. Das Diptychon „Hoo Flats“ zeigt landschaftliche Ansichten im Mündungsgebiet der Flüsse Themse und Medway östlich von London und bildet den Höhepunkt von Collins sieben Jahre währender Arbeit in diesem Gebiet. Im Park Hampstead Heath in London hat der Künstler den imposanten Baum vorgefunden und aus drei verschiedenen Blickpunkten abgelichtet. Das Motiv des Baumes verweist für Collins in die Frühzeit der Photographie, schon von Henry Fox Talbot, Eugène Cuvelier oder Gustave Le Gray eingehend studiert. Mit den drei im industriellen Bereich entstandenen Aufnahmen nähert sich der Photograph dem darstellerischen Bereich des Skulpturalen an. Auch sind die Bilder historische Zeugnisse getaner Arbeit und situativer Atmosphären. Collins reflektiert in seinem Oeuvre das Medium der Photographie in seinen metaphysischen Qualitäten, er sieht die Photographie in Korrespondenz anderer künstlerischer Medien wie der Malerei.
Die Exponate beschreibt Michael Collins wie folgt: „In diesen acht unterschiedlichen Werken werden Motive nebeneinandergestellt, um Ähnlichkeiten und Abweichungen sichtbar zu machen. Jedes Werk setzt dabei seine eigenen Schwerpunkte. Es handelt sich dabei nicht um photographische Dokumente, weshalb sie unzählige mögliche Bedeutungen haben können. [...] Als Tableaus erdacht und arrangiert reflektieren sie die Eigenschaften der Photographie und sind gleichzeitig aus der schwer fassbaren Magie dieses Mediums entstanden. [...] Die Photographie kann nicht nur Luft und Atmosphäre, sondern auch die räumliche Dimension abbilden. Diese Eigenschaft der „plastischen Illusion“ ist das Hauptmerkmal dieser Bilder; mittels Erhöhung der Schärfentiefe und gleichzeitig ausdrücklicher Beibehaltung des Fokus auf den definierten Vordergrund wird das Flache plastisch, wodurch eine augenscheinliche Dreidimensionalität geschaffen wird.“

Die von Paola De Pietri zwischen 2014 und 2017 photographierten Gebäude und Bäume befinden sich in der norditalienischen Ebene des Flusses Po, in den Regionen Emilia Romagna, Lombardei und Veneto. Bei den Gebäuden handelt es sich um ehemalige Bauernhöfe, die teils schon zu Ruinen verfallen sind, so lang liegt ihre aktive Bewirtschaftung zurück. Die imposanten frei stehenden Bäume waren einst etwa zur Markierung von Ländereien gepflanzt worden oder dienten angebauten Weinpflanzen zur Halterung oder zum Schutz. Mittlerweile sind sie zumeist ihrer Funktion enthoben. Doch mit dem Wissen um ihre einstige Bestimmung wird jeder Baum und jedes Haus als ein Relikt einer vergangenen Epoche lesbar, wird zu einem Zeugnis von wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Traditionen der Vergangenheit.
Paola De Pietris fein ausgearbeitete Schwarz-Weiß-Aufnahmen kennzeichnet eine diskret stringente Ästhetik. Die Motive sind als für die Gegend typische Solitäre zentral ins Bild gesetzt. Durch einen verhältnismäßig tief heruntergezogenen Horizont veranschaulicht sich der weitläufige Charakter der fruchtbaren Ebene mit ihren Feldern und Fluchten. Das dunstige Aufnahmewetter, die blattlosen Bäume dokumentieren eine kältere und weniger bunte Jahreszeit, die sich De Pietri für ihre Arbeit zunutze macht, um eine optische Betonung der modellhaft erscheinenden Motive zu bewirken. Die Konturen der entfernteren Gegenstände lösen sich auf und gehen in einem hell nebeligen Fond auf. Die Aufnahmen gehören zu der Serie Questa Pianura, die die Künstlerin bereits 2004 begonnen hat.

Die künstlerischen Positionen von Laurenz Berges, Michael Collins und Paola De Pietri begegnen sich in der Ausstellung zum ersten Mal. Sie eint ihr Gespür und der genaue Blick für zeitbedingte sowie zeitlose Wirklichkeiten, für Fakten und allmähliche Transformationen ebenso wie ihre Sensibilität für die spezifisch feine Ästhetik, die daraus erwächst.

Zur Ausstellung erscheint zu jeder künstlerischen Position ein Leporello (Texte dt./engl.). Zusammengefasst in einem Schuber, sind die Leporellos als künstlerische Publikationen mit sammlerischem Wert angelegt. (Snoeck Verlag, Köln, Gestaltung: Claudia Ott, Düsseldorf)
 
Alle drei bemerken in aller Achtsamkeit den minutiös verlaufenden Wandel ihrer Umwelt und nutzen ihre Großbildkameras und die damit erreichbare hohe Abbildungsqualität zur Dokumentation der faktischen und atmosphärischen Gegebenheiten. Der Begriff "Witterung" bezieht sich manchmal auf das Wetter, ist aber auch eine Form von Intuition und Zersetzung, der Auflösung und Transformation.
 
Die Ausstellung ist täglich - außer mittwochs von 14 bis 19 Uhr geöffnet.
Kontakt: Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur - Im Mediapark 7 - 50670 Köln - Tel: 0221 - 88895-300