Palladios Werkschau

Ulrike Eichhorn – „Palladio-Aldinen /Palladios Werkschau, Vol. 3“

von Johannes Vesper

Palladios Werkschau

Vol. 3 der Palladio-Aldinen im Eichhorn-Verlag
 
Andrea Palladio (1508-1580), gebildet und kenntnisreich, war von der antiken Kunst so angetan, daß er mit seiner Villa Rotonda bei Vicenza das römische Pantheon kopierte, nur daß bei ihr unter der majestätischen Kuppel alle vier Seiten dieses Landsitzes nahezu die gleiche Fassade aufweisen. Wird hier der reinen Architektur die Brauchbarkeit des Gebäudes geopfert? Für den Geist des 16. Jahrhundert war die weltliche Architektur inzwischen von größerer Bedeutung als die sakrale. So gibt es von Palladio auch eigentlich nur zwei Kirchen: Il Redentore und S. Giorgio Maggiore in Venedig. Palladios Werke und er selbst wurden vor allem auch deswegen berühmt, weil er - wie schon der Urvater aller Architekten Vitruv im 1. Jahrhundert v. Chr. - seinen Stil und seine architektonischen Vorstellungen in Büchern publiziert hat. Palladios „I quattro libri dell´architettura“ machten ihn in ganz Europa bekannt. „Wenn man nun diese Werke gegenwärtig sieht, so erkennt man erst den großen Wert derselben; denn sie sollen ja …mit dem ganzen perspektivischen Vordringen und Zurückweichen den Geist befriedigen; und so sag' ich vom Palladio: er ist ein recht innerlich und von innen heraus großer Mensch gewesen“ (J.W. von Goethe 19.09.1786). Auch heute nachvollziehbar! In Norditalien baute er 100 Villen und Landsitze. Seine Ausstrahlung in Europa war immens. Vor allem schätzte man ihn im England des 18. Jahrhunderts, übernahm seine Formensprache in zahlreichen englischen Landsitzen und kopierte die Villa Rotonda (Chiswick House bei London) vollständig. Schinkel und seine Schüler, auch die europäische Architektur des Historismus ab der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts und selbst der Barmer Bahnhof von 1911 ist ohne den Einfluß Palladios nicht zu denken.
 
Ulrike Eichhorn stellt Palladios Werke der Terraferma – dabei handelt es sich um das seit dem 13. Jahrhundert venezianisch annektierte und kontrollierte Oberitalien - im 3. Band ihrer Palladio-Aldinen vor. In Vol. 1 dieses Werkes über den großen Architekten des 16. Jahrhunderts geht es um Palladios Leben im Veneto (488 S.) im Licht der Lagune, in Vol. 2 um Palladio im Rom der Renaissance (302 S.). Aldinen wurden ursprünglich von der venezianischen Buchdruckerdynastie Manutius im gesamten 16. Jahrhundert hergestellt und publiziert. Diese Bücher sind durch Oktavformat und Pappeinband (statt Holz) charakterisiert, sozusagen Vorläufer der modernen Taschenbücher. Dieses kleine Buchformat wird vom Eichhorn-Verlag aufgegriffen. In Vol. 3 sind dreiundzwanzig von Andrea Palladio geplante und erbaute Villen und Landhäuser abgebildet, zunächst als Zeichnungen aus den „I quattro libri“, dann aber auch als Fotografien. Immer wieder werden Zitate aus Goethes „Italiänischer Reise“ den Kapiteln vorangestellt. Über Abbildungen hinaus gibt es Daten zur Baugeschichte und zu den Bauherren, meist venezianische Nobili , die sich in den Villen vom Getriebe der der quirligen Stadt erholten aber dort auch ihren Gemüseanbau und ihre Landwirtschaft beaufsichtigten , wobei die vom Architekten angestrebte Lage an Flüssen und Kanälen zweckdienlich erschien, „denn man wird so Erträge mit geringen Kosten auf Kähnen in die Stadt bringen“.


Palladio, Villa Pisani in Bagnolo - Foto: Edition Eichhorn


         Palladio, Villa Pisani in Montgagnana, Grundriß

Aber immerhin auch mehr als 10 Palazzi (Stadthäuser) Palladios werden dargestellt, wobei deren Urheberschaft allerdings nicht immer völlig klar zu sein scheint. In den Palazzi wurden Gäste empfangen und bewirtet, Geschäfte getätigt und repräsentiert. Entsprechend ändert sich die Architektur. Hier bringt Andrea Palladio seine Säulenstellungen aus dem Inneren der Bauten (römisches Atrium) auf die Außenfassaden, spielt mit den antiken Tempelfassaden und ihrer Attika, öffnet und durchbricht die vor seiner Zeit geschlossen Fassaden mit luftigen Loggien und faßt verschiedene Bauteile mit langen Kolonnaden zusammen.
 

Palladio, Palazzo Capra, Vicenza - Foto: Edition Eichhorn

Das berühmte Teatro Olimpico in Vicenza, ein „Theater der Alten, im kleinen realisiert und unaussprechlich schön“ (J.W. v. Goethe 19.09.1786 Ital. Reise), plante Andrea Palladio in genauer Kenntnis der römischen Theater, erlebte aber den Bau nicht mehr. Es wurde erst nach seinem Tode im Jahre 1580 (nicht 1980!! S. 873) begonnen. Als Architekt hat Andrea Palladio auch Portale, Treppen, Brücken, Altäre entworfen. Sein Werk wird in diesem Band umfassend diskutiert, abgebildet und vorgestellt, wobei die Bezifferung der sakralen Bauten Venedigs (S. 888) nicht der dem Plan folgenden Tabelle entspricht. Im Anhang bieten Verzeichnisse der Lebensdaten und –Stationen Palladios, seiner Bauherren, der Patriarchen und Bischöfe wie auch seiner Kollegen und Schüler Zeit reiches Informationsmaterial zum Cinquecento und seiner Kunst. Freie Seiten für Notizen laden zum Gebrauch des dicken Bändchens ein. Weit vorausschauend meinte J.W. von Goethe schon am 19.09.1786 in seiner Ital. Reise: „Man hat ein sehr artiges Büchelchen mit Kupfern zur Bequemlichkeit der Fremden herausgegeben mit einem kunstverständigen Texte.“ Recht hatte er.
 
Ulrike Eichhorn – „Palladio-Aldinen / Palladios Werkschau, Vol. 3“
© 2018 Edition Eichhorn, 505 Seiten ISBN 978-3-944377-12-4
36,- € (bei Bestellung bis 20. Mai 2018)
Weitere Informationen: http://edition-eichhorn.de/prints/palladio-aldinen-vol-3/
 
Redaktion: Frank Becker