Feuchte Niederungen - ein Musenblattschuß

Charlotte Roche "Feuchtgebiete" - Ein unnötiges Hörbuch, dennoch gehört

von Sabine Kaufmann
Ein Charlottenburger

So wenig mich interessiert, ob in China ein Sack Reis umfällt oder in Hamburg eine Bratwurst platzt, so wenig, wie ich Anteil an den Handy-Gesprächen meiner Mitfahrer im Bus nehmen möchte und so wenig wie ich erfahren will, ob Amy Winehouse mal wieder gepöbelt hat - genauso wenig möchte ich auch von den analen und vaginalen Erkenntnissen einer Charlotte Roche wissen.

Deshalb werde ich auch tunlichst vermeiden, je das Buch in die Hand zu nehmen, das seine Autorin in 334 Minuten (ungekürzt) auf 5 CDs zu lesen sich nicht enthalten konnte. Ein Renner sämtlicher deutscher Bestsellerlisten des Print- Sektors, stürmt jetzt auch das Hörbuch der spätpubertierenden jungen Dame die Charts. Da könne man als Rezensentin nicht abseits stehen - dachte ich. Hätte jedoch besser daran getan, mich nicht dem hysterischen Zug der Jubler anzuschließen. Roger Willemsens (sie wissen schon, der Überall-Mitplapperer) Kommentar: "Radikal, drastisch und ebenso zart. Ich erinnere mich nicht, ein Debüt-Manuskript in der Hand gehabt zu haben, so sicher, so mutig und so voller Gegenwart wie dieses" hätte mich warnen sollen. Dummes Geschwätz, nichts weiter als eitle Luftblasen. Ich behaupte, der smarte Frauenversteher Willemsen hat diese Schwarte nie gelesen - oder nach wenigen Seiten weggelegt.

Es ist nicht mutig, es ist nur obszön, es ist nicht radikal, sondern nur peinlich - und voller Gegenwart? Was meint Herr Willemsen damit? Meine Gegenwart sieht jedenfalls anders aus. Als eine Freundin mir vorschlug, doch eine der Lesungen von Frl. Roches Tournee zu besuchen, war ich noch ganz angetan. Die öffentliche Aufregung über den angekündigten kühnen Bruch der letzten Tabus reizte. Doch dann kam die Wende mit dem vorherigen Anhören des wirklich unsäglichen Machwerks, das Charlotte Roche da verfaßt hat. Meine Berliner Großmutter hat mir mal erklärt, was ein "Charlottenburger" ist: wenn ein Kutscher oder Kohlenmann (gibt´s ja längst nicht mehr) sich mangels Taschentuch mit den Fingern auf die Straße schneuzt. Das trifft den Punkt.

Die nicht mal dumme junge Frau hat mit Hilfe ihres Verlages ein "Tabu" erfunden, um es dann medienwirksam zu "brechen". Toll. Aber mal ehrlich: wer möchte schon Details ihrer Mösenrasur, ihres Anus, ihrer Hämorrhoiden oder ihrer Phantasien über Robins Schwanz und ihre Zunge in seinem Arsch wissen? Ich nicht. Mal ganz abgesehen von der unerträglich quäkigen Stimme, mit der das Mädel seine Dümmlichkeiten akustisch absondert. Rotz eben. Billige Pornographie, wie sie früher mal
unter dem Ladentisch von Bahnhofsbuchhandlungen für notgeile Onanisten bereit lag. Nicht mehr ist das und nicht weniger.
Ich gebe dafür einen Musenblattschuß. Vom Konsum wird dringend abgeraten. Außer eine(r) braucht´s.

Beispielbild

Charlotte Roche
Feuchtgebiete

Hörbuch
5 CDs, ungekürzt gelesen von der Autorin
334 Minuten

© 2008 Random House Audio

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