Ich will alles (I Got A Song)

Die Gitte Haenning Story - Ein Film von Marc Boettcher

von Frank Becker
Ein bewegtes Leben

Marc Boettcher hat ganz eindeutig ein Händchen für Film- Biographien von Stars der Musikbranche, wie er eindrucksvoll mit seinem Film "Strangers in the Night" über Bert Kaempfert belegt hat, den wir Ihnen hier bereits vorstellen konnten. Im vergangenen Jahr legte Boettcher mit "Ich will alles" die intime Biographie einer außergewöhnlichen Sängerin vor: Gitte Hænning. Die charaktervolle, schöne und unerhört talentierte Frau aus dem dänischen Århus hat dem sensiblen Regisseur den Blick auf die gefährliche Achterbahn einer bewegten, turbulente Karriere und ihr dramatisches Leben mit allen Höhen und Tiefen gestattet - und Marc Boettcher hat ein sympathisches ehrliches Bild von Gitte Hænning gezeichnet.

Vom Vater Otto
Hænning Johansson, der 1947 unter dem Namen Otto Hænning in Dänemark eine eigene Karriere als "Troubadour" oder wie man heute sagt: Liedermacher gestartet hatte, in die Rolle eines Kinderstars gepreßt, hatte die kleine Gitte bereits mit acht Jahren ihren ersten großen Erfolg: "Giftes med Farmand", einer dänischen Cover-Version des Conny Froboess-Schlagers "Ich heirate Papi". Die Folge waren eine enorme Popularität und  ein ungewolltes Zigeunerleben mit Auftritten erst in Dänemark, dann Skandinavien, schließlich in Holland und in Deutschland. Gitte kam aus der ihr aufgezwungenen Rolle nicht mehr heraus. Wie bei vielen Kinderkarrieren blieb die Kindheit unter dem strengen Regiment des ehrgeizigen Vaters auf der Strecke, eine Tragik, die sie mit anderen Stars teilt, die Opfer der Erfolgssucht der Eltern wurden.

In etlichen für diesen Film gemachten und aus früheren Fernsehproduktionen zusammengestellten Interviews äußern sich die heute 62 Jahre alte Künstlerin, Familienmitglieder, Freunde und Kollegen sehr offen zu beiden Seiten der schimmernden Medaille. Marc Boettcher zeigt schonungslos die trotz allen scheinbaren Glanzes im Endeffekt überwiegend dunkle, beklemmende Seite. Die Frau, deren Leben hier rücksichtsvoll aufgearbeitet wird, gewinnt allerdings dabei. Sehr schnell wird deutlich, daß sich die wirkliche Begabung der Gitte Hænning nie hat entfalten dürfen, ihre späte energische Durchsetzung blieb vertragsbedingt halbherzig: es ist und war immer der Jazz, der ihre wahre Stärke war. Vom deutschen Schlagergeschäft wegen ihrer jugendlichen Frische vereinnahmt und zu ungezählten scheußlichen Tralala-Schlagern gezwungen und unter Wert vermarktet, blieb ungefördert, was sie wirklich konnte.

Frühe und rare dänische Aufnahmen von Fernsehshows, Filmausschnitte und O-Töne ihrer frühen Jahre belegen mit u.a. "Stormy Weather", "Night and Day" und dem "Basin Street Blues", Titel die sie mit dem kurz danach tödlich verunglückten Bassisten Oscar Pettiford aufgenommen hatte, was in ihr steckte: eine Jazz-Sängerin von internationalem Format. Die mehrere Jahre währende Beziehung mit dem dänischen Weltklasse-Bassisten
Niels-Henning Ørsted Pedersen nährte die Neigung zum Jazz. Auch spätere Aufnahmen mit der Kenny Clarke/Francy Boland Big Band, mit der man sie wieder in einen deutschen Vertrag lockte, belegen ihre Jazz-Begabung. Der dänischen Kinderstar-Zeit der 50er Jahre und der deutschen Schlager-Zeit mit u.a. Rex Gildo als "Traumpartner" in den 60er Jahren folgte ein Karriereknick Anfang der 70er. Mit einer Richtungsänderung zum Chanson schaffte es die energische Sängerin in den 80ern erneut, an ihre alte Popularität und frühere Erfolge anzuknüpfen. Die Zusammenarbeit mit Andrew Lloyd Webber gab neue Impulse.

Nach gescheiterten Ehen und Partnerschaften, beruflichen Mißerfolgen, unstetem Leben mit Wohnsitzen u.a. in Kopenhagen, München Rom, Berlin belohnten spät eine Goldene Kamera und eine Goldene Schallplatte ihren eisernen Willen, nicht aufzugeben, den eigenen Weg zu finden.
Marian Piper hat diesen ungewöhnlich spannenden und höchst empfehlenswerten Film Marc Boettchers großartig geschnitten. Die Redaktion hatte Bernd Michael Fincke.

Am 14. November präsentiert Gitte Hænning ihre große Personality-Show in der Wuppertaler Stadthalle.


Beispielbild

Ich will alles
Die Gitte Hænning Story

Ein Film von Marc Boettcher

© 2007 MB-Film
(P) 2007 Studio Hamburg

DVD 9, ca. 120 Minuten, 16:9 Dolby digital
Sprache: deutsch/englisch

Weitere Informationen unter:
www.in-akustik.com
www.ARD-VIDEO.de
gitte-haenning.de