Die Entdeckung der Heimat

Eine Betrachtung

von Frank Becker

Die Entdeckung der Heimat als Ziel


„Warum in die Ferne schweifen....“, wird Herr von Goethe gerne zitiert. Gemeint hat der Olympier das mit seinen Versen „Willst du immer weiter schweifen?/Sieh, das Gute liegt so nah.“, sicher schon in diesem Sinne. Die Feriensaison naht, Koffer werden abgestaubt und Prospekte aus dem Reisebüro nach Hause geschleppt. Wohin in diesem Jahr?

Wir sind mit den Möglichkeiten des Fliegens zu Weltreisenden geworden, zu Jet-Zugvögeln, die zwischen den Kontinenten eilen, Meere und Gebirgsmassive unter sich lassen, an fernen Küsten, in Wüsten und Dschungeln den Fuß auf fremde Erde setzen, um wieder einmal irgendwo „gewesen“ zu sein. Bangkok, Lima, Sydney, New York, Johannesburg oder Alma Ata – kein Problem. In eine Ferne zieht es uns, die aufregende Erlebnisse und Exotik verspricht. Dabei geht die Berührung mit unserer eigenen Welt, die den wunderschönen Namen „Heimat“ trägt, häufig ganz und gar verloren.

Aber wie sich als Gegengewicht zum hastigen Fast Food von Italien aus die „Slow Food“-Bewegung entwickelt hat, bei der wieder in Ruhe und mit Genuß nach heimischen Rezepten solide gekocht und behaglich gegessen wird, sieht man auch immer häufiger die literarische Besinnung auf die Heimat und deren Wert. Vorreiter sind Autoren, die man im Allgemeinen der leichteren Muse zurechnet: Kabarettisten nämlich, deren wacher Blick auf Land und Leute schon von Berufs wegen geschärft ist. Hier finden sich ansteckende Bekenntnisse zur Heimat und deren Entdeckung „vor der Haustür“.

Viele Jahrzehnte lang schrieb Hanns Dieter Hüsch – der Nestor des deutschen literarischen Kabaretts starb 2005 – herzerwärmende Geschichten über den Niederrhein und seine Moerser Heimat. Sein großer Bewunderer und legitimer Nachfolger Erwin Grosche hat sich das Lob seiner schönen Heimatstadt Paderborn auf die Fahnen geschrieben und publiziert es in Büchern, Zeitungsartikeln und Fernsehfilmen. Der Österreicher Alfred Komarek, den viele Leser und Fernsehzuschauer als genialen Schöpfer des Gendarmerie-Inspektors Simon Polt kennen, öffnet in einer Reihe von Büchern den Blick für seine Heimat um Wien, im Weinviertel und Salzkammergut. Und auch der Schweizer Franz Hohler hat nach langen Bühnenjahren die Wanderschuhe geschnürt, seine Schweiz in 52 Wanderungen – eine pro Woche – intimer kennen gelernt und ein wunderbares Buch darüber geschrieben. 
Lockt sie das nicht, auch mal wieder die Welt vor ihrer Haustür, ihre Heimat zu entdecken?

Lesetips:

Erwin Grosche: „Warmduscher-Report“, 2003 Ardey Verlag
Erwin Grosche: „Lob der Provinz“, 2001 dtv
Franz Hohler: „52 Wanderungen“, 2005 Luchterhand Literaturverlag
Alfred Komarek: „Ausseerland“, 2002 Kremayr & Scheriau
Alfred Komarek: „Salzkammergut – Reise durch ein unbekanntes Land“ 1994 Kremayr & Scheriau

Hanns Dieter Hüsch: vielfältig in den Verlagen Mercator, Kiwi Köln und Brendow u.a.: 2000 „Willkommen in meiner Welt“, Sach ma nix" oder "Mein Traum vom Niederrhein".