Numminen säuft sich planvoll durch Finnland

M.A. Numminen - "Der Kneipenmann"

von Frank Becker
Im Bermuda-Dreieck finnischer Kneipen

Daß dieses Buch den Sänger, Autor und Filmemacher (M.)auri (A.)antero Numminen (*1940) zu einem Nationalhelden (fast) in Augenhöhe mit Paavo Nurmi, Jean Sibelius und Carl Gustaf Emil Mannerheim erhoben hat, wundert nicht, kennt man die finnische Bodenständigkeit und die landestypische Freude am Trinken. Die deutschen Männer, die mit dem zweifelhaften Reiseunternehmen "Wehrmacht" einige der besten Jahre ihres Lebens im hohen skandinavischen Norden verbringen durften und zwar mit halbwegs heilen Knochen, aber vielfach mit einer gewissen Neigung zum Alkohol zurückkehrten, wußten bereits davon zu berichten, wie schwermütig die Nordländer sind - und wie sie die Melancholie der schier endlosen Mittsommernächte und die Tristesse der finsteren Winter überstehen.

Das weiß auch M.A. Numminen. Und er weiß, wo die einfachen Leute, die nicht so viel Geld haben, ihre Abende beim billigen Bier der Kategorie III verbringen. Um das mal akribisch festzuhalten hat
er von Neujahr bis Mittsommer 1986 zwischen Uusimaa und Lappland 20.000 Kilometer  zurückgelegt, auch nicht die Insel Åland ausgelassen, dabei in 185 Gemeinden 350 sogenannte "Dreier-Bierbars" besucht und dort mit den den "kleinen Leuten" ordentlich gesoffen. Aber er hat nicht nur gepichelt, nein, er hat akkurat notiert wo er eingekehrt ist, wen er getroffen hat und was so alles konsumiert wurde. Numminen nennt Roß und Reiter, will sagen, er erzählt, wo es welches Bier und welche Leute gibt. Die Stimmungsbilder, die der studierte Philosoph (im Schwäbischen kennt man den Begriff des "Vierteles-Philosophen", was für Numminen niemals ausreichen würde) dabei aufgezeichnet hat, erinnern an die rauschhafte Bahnfahrt in Wenedikt Jerofejews "Die Reise nach Petuschki". Mal im Vertrauen -  er muß ein halbes Jahr lang im Vollrausch durch Finnland gegondelt sein. Oder er hat einen Fahrer gehabt, vielleicht sogar einen Eckermann.

Ja, das wird es sein, ein Eckermann! Denn Numminens Buch nennt Numminen stets in der dritten Person. Und wer kann schon so unverwackelte Fotos von einer solch turbulenten Bierreise mitbringen, zumal, wenn er selber hie und da drauf ist. Die ganze Stammtisch-Trostlosigkeit dieser anscheinend nur noch durch heimlichen Sprit und Dreier-Bier zusammengehaltenen Gesellschaft spricht aus den sachlichen Fotos der außen wie innen reizlosen Lokalitäten. Numminen hat auch viel geplaudert, da ging es um Gott und die Welt, jüngere Zeitgeschichte und Philosophie. Sein Buch ist einer der merkwürdigsten Reiseführer geworden, die je gedruckt wurden. Wer es Numminen nachtun möchte (andere als er werden für immer im Bermuda-Dreieck finnischer Kneipen verschellen - ha, jetzt habe ich endlich mal dieses wunderbare Wort unterbringen können!), nehme das Buch mit. Es enthält am Schluß einen Kneipenindex und ein Ortsverzeichnis nebst einer groben Karte mit Verweisen auf die Textseiten. Sollte man haben, auch wenn man nicht nach Finnland möchte.

Beispielbild
Umschlagfoto: Helena Vapaa

M.A. Numminen
Der Kneipenmann
Eine Expedition zu den Bier-Bars in Finnland von Helsinki bis Lappland

© 2003 Gerd Haffmans bei Zweitausendeins

333 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag und Lesebändchen
Originalpreis 13,50 Euro

- beim Verlag vergriffen, in wenigen Exemplaren im Online-Antiquariat vorrätig -