"Loch im Kopf"

Eine medizinhistorische Ausstellung des Neanderthal-Museums

von Andreas Rehnolt

© Neanderthal Museum
Schädel-Operationen auch gegen böse Geister

Das Neanderthal-Museum mit der Ausstellung "Loch im Kopf" sowohl steinzeitliche als auch modernste Schädel-OPs



Mettmann - "Manche Schädel-Operation in frühesten Zeiten wurde auch aus magischen Motiven heraus durchgeführt. In vielen Kulturen glaubte man schließlich, der Geist eines Menschen sei im Kopf. Ein kranker oder böser Geist sollte eben durch die Öffnung entweichen können". Kuratorin Bärbel Auffermann vom Neanderthal-Museum in Mettmann bei Düsseldorf zeigte beim Rundgang durch die aktuelle Ausstellung mit dem Titel "Loch im Kopf" unter anderem scharfe Haifischzähne oder Muschel-Gehäuse, die vor tausenden von Jahren bei der Behandlung von Schädelverletzungen oder vermuteten Kopfkrankheiten zum Aufschneiden des Schädels benutzt wurden.

Die Präsentation, die ab heute bis zum 2. November zu sehen ist, zeigt, daß schon vor über 10.000 Jahren Menschen in der Lage waren, Löcher in den Schädel zu bohren. "Damit zählt die so genannte Trepanation zu den ältesten Formen des operativen Eingriffs", so Bärbel Auffermann. In frühesten Zeiten hätten im Schnitt sogar 7 von 10 Operierten diesen schwierigen Eingriff überlebt, betonte die Expertin. Schriftliche Nachweise über Schädeltrepanationen sind erst aus der griechischen und römischen Antike überliefert. In der Schrift "Über die Kopfwunden" im Corpus Hippocraticum aus dem 4. Jahrhundert vor Christus etwa findet sich eine genaueste Beschreibung der Operation und die Anweisung an den Arzt, den Bohrer während des Eingriffs mehrmals zu kühlen, um den Knochen vor schädlicher Erhitzung zu schützen.

Die Ausstellung präsentiert Dutzende von Schädeln mit Löchern und Schnitten, die entweder auf die Operation oder aber auf eine Kopfverletzung hinweisen. Ein 7.100 Jahre alter Schädel, der in Frankreich aus einem jungsteinzeitlichen Friedhof geborgen wurde, gilt als Beweis für die älteste mitteleuropäische Trepanation, sagte Auffermann. Der Schädel gehörte einem 50 Jahre alten Mann. Ein keltischer Schädel aus dem österreichischen Guntramsdorf ist mit 2.200 Jahren deutlich jünger. Trotzdem wissen die Forscher inzwischen, daß der Eingriff damals vermutlich von einem Wanderarzt durchgeführt wurde und daß der Patient die Behandlung überlebt hat.

Beim Betrachten mancher Gerätschaften für diese Operation läuft dem Museumsbesucher manchmal sicherlich ein kalter Schauer über den Rücken. Sägen, Bohrgeräte und Zangen sind dort, die an einen Heimwerkerschrank erinnern, aber auch modernstes Knochenwachs und Kopfhautklammern, die bei modernen gehirnchirurgischen Eingriffen verwendet werden. Ein römischer Kronbohrer aus Bronze, der mittels eines Fiedelbogens angetrieben wurde, fand sich im Grab eines Arztes bei Bingen am Rhein. Zu dessen OP-Besteck gehörten außerdem ein "Linsenmesser" zum Schutz der harten Hirnhaut, eine Handsäge sowie Meißel und Sonde. Im Mittelalter wurden bei solchen Eingriffen die Patienten mit schmerzstillenden und betäubenden Schlafschwämmen ruhig gesellt. Diese enthielten Auszüge aus Opium, Alraune oder Schierling.

Besteckkoffer für notwendige Schädel-Operationen von Soldaten im 1. Weltkrieg finden sich in der interessant präsentierten Schau ebenso wie ein Besteckkasten von 1770, der von Feldärzten benutzt wurde. Sehr viel vertrauter wirkt da doch ein Teil der Ausstellung, der hinter einer Plastik-Trennung einen komplett eingerichteten hochmodernen Krankenhaus-Operationssaal für Schädel-Eingriffe präsentiert, inklusive einer lebensgroßen Puppe mit geöffnetem Schädeldach, Kameras und Bildschirmen zur Kontrolle des medizinischen Eingriffs. An diesem OP-Tisch können die Besucher an bestimmten Aktionstagen der Ausstellung selbst das Trepanationswerkzeug ausprobieren, so Beate Schneider vom Neanderthal-Museum zum Start der Schau. Ganz gruselig gibt sich das Haus am 31. Oktober. "Dann können im Rahmen der "Kinder-Schädel-Nacht" sogar Kürbis-Trepanationen vorgenommen werden", versprach Bärbel Auffermann am Freitag. "Loch im Kopf" basiert auf einer Ausstellung des Naturhistorischen Museums Basel.

Öffnungszeiten: Di-So: 10-18 Uhr
Internet: www.neanderthal.de.

Redaktion: Frank Becker