Lange Schatten

Michael Zeller - "Die Reise nach Samosch"

von Frank Becker

Die Reise nach Samosch
Roman von Michael Zeller


Vor kurzem habe ich ihnen hier den kleinen Band „Granaten und Balladen von Michael Zeller vorgestellt. Es lohnt sich, noch einmal ins Bücherregal zu greifen und eines der früheren Bücher dieses genauen Beobachters und intensiven Erzählers hervorzuholen: „Die Reise nach Samosch“.  Mit einem Tagebuch fängt diese Reise an. In Rauen, einem kleinen Ort nahe Fürstenwalde erlebt die 17-jährige Erika ihre erste Liebe zu dem verheirateten  Soldaten Dr. Hellmut Anschütz. Es ist eine romantisierte Leidenschaft in friedlosen Zeiten, die mit der Versetzung des Soldaten in den Hexenkessel des Krieges nach Samosch „irgendwo im Osten Polens“ endet.

Der Autor Michael Zeller ist 1944 in Breslau, dem heutigen Wrocław, geboren. Die Seele Polens, die deutsch-polnische Verbindung spielt eine wichtige Rolle in seinem schriftstellerischen Werk, er lässt diesen Faden nie los. Ob das in seinen Erzählungen in „Nächstes Jahr in Jerusalem“ und „Noch ein Glas mit Pan Tadeusz“ ist oder in seinem Roman „Café Europa“. So auch in seinem siebten Roman „Die Reise nach Samosch“. Zeller ist ein Reisender. Er ist unterwegs, ein promovierter und habilitierter Literaturprofessor, der nicht recht sesshaft sein mag. Seit einigen Jahren lebt er in Wuppertal, wo er arbeitet und einen Lebenskreis gefunden hat. Doch er bricht immer wieder auf, sei es realiter oder in seinen Texten.

Der Roman ist eine Liebes- und Lebensgeschichte, die lange Schatten wirft. Es ist die von wechselnden Ich-Erzählern berichtete, über drei Generationen bis zu einem endlichen Glück reichende historische familiäre Verbindung zwischen Deutschen und Polen, zwischen zwei schicksalhaft verbundenen Nationen, die ihr glückliches Ende in einer Liebe zwischen dem Deutschen Sebastian und der Polin Barbara aus Krakau findet. Krakau ist eine magische Stadt für Zeller – immer wieder findet sie Eingang in sein Werk, in dem immer wieder ein Stück von ihm zu stecken scheint. Eben auch jetzt wieder – und Samosch kommt dazu, das Bascha „Samoschtsch“ ausspricht. Es sollte nicht wundern, wieder einmal von diesem Ort zu hören.

Zeller erzählt – atemlos, wie aufgezogen, als müsse etwas heraus. Wie Jewtuschenko erzählt er von Hühnergöttern, wie Thomas Mann lässt er Generationen paradieren. Er „erfindet“ keinen Roman, keine Handlung, er zeichnet auf. Das macht die Lektüre intim. Man muss sich auf Zellers neues Buch bedingungslos einlassen, sonst bleibt man „draußen“. Es ist keine Lektüre für zwischendurch - schwierig, jedoch ergiebig: „Die Reise nach Samosch“.
Beispielbild


Michael Zeller
Die Reise nach Samosch

© 2003 Verlag ars vivendi Cadolzburg Gebunden, 257 Seiten
17,90 Euro


Weitere Informationen unter:
www.arsvivendi.com