Wes Brot ich eß...

Das IOC knickt eilfertig auch vor dem Betrug an der kleinen Sängerin bei der Olympia-Eröffnungsfeier in Peking ein. - Ein offenes Wort

von Frank Becker

Dieses Kind hat ebenfalls nicht gesungen!
Ist aber auch süß, nicht wahr?
Foto © Frank Becker
...des Lied ich sing
(und schäme mich nicht mal!)

Jeder hat es bei der pompösen Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Beijing gesehen: das süße kleine Mädchen, das da im Stadion vor Milliarden Zuschauern in aller Welt seine Heimat besungen hat, bewegte nur die Lippen. Na gut, dachte man, das ist schon ganz in Ordnung und legitim. Vielleicht wäre die Kleine ja so aufgeregt, daß sie womöglich den Text vergäße - also der Sicherheit halber und auch zu ihrem Schutz: Playback. Doch wie es so ist im Leben (und mit der neugierigen Presse) - die Sonne bringt alles an den Tag. Da wurde nämlich nach Kräften geschummelt, denn der schnuckeligen Kleinen mit den Mandelaugen gehörte gar nicht die Stimme zum Lied!

Yang Peiyi gebührt das Lob

So wunderbar klar und berührend gesungen hatte in Wirklichkeit ein ganz anderes Mädchen mit Namen Yang Peiyi
. Die erschien aber den verantwortlichen chinesischen Funktionären nicht hübsch genug. Also stahl man ihr ihre reizende Stimme und schob sie ab. Was man dem sieben Jahre alten Kind damit angetan hat, ist derart bodenlos niederträchtig, daß einem beinahe die Worte fehlen - aber nur beinahe. Denn es soll nicht versäumt werden, diese Schande hier mit deutlichen Worten und einem kräftigen Pfui Teufel! anzuprangern. Ob nun pummelig, zahnlückig oder sonstwie - ein Kind, das so hübsch singt, hätte mit Sicherheit ebenso die Herzen erobert, wie das Vorzeigepüppchen. Daß man diesem anderen Mädchen mit dem mehr als peinlichen Tausch ganz nebenbei ebenso geschadet hat, liegt gleichermaßen auf der Hand, denn hier muß ja auch eine zweite Kinderseele mit einer unmenschlichen Fehlentscheidung zurecht kommen. Sie weiß ja, daß sie nur mit einem Betrug so populär geworden ist!

Niedergang jeden Anstands

Der Gipfel der Geschmack- und Gewissenlosikeit jedoch ist der eilfertige lapidare Kommentar des IOC-Generaldirektors Gilbert Felli, der die betrogenen Kinder mit Sportlern auf der Reservebank vergleicht: "So ist es nun einmal - im Sport und im Leben". Ist das so? Ein feiner Sport ist mir das! Aber es paßt in das erniedrigende Gesamtbild, das schon sein Chef Jacques Rogge für das IOC mehr als deutlich abgegeben hat: man stellt sich dumm und gibt sich naiv, nimmt um des Gewinns von geschätzten drei Milliarden für das IOC willen jegliche Gängelung durch den Machtriesen China hin und kriecht devot plappernd zu Kreuze. Herr Rogge, Herr Felli und alle anderen, die dieses unanständige Spiel mitspielen und auch noch wortreich rechtfertigen, sind in meinen Augen gewissen- und rückgratlose Karrieristen. Auch und besonders weil sie vermutlich persönlich von diesem Ausverkauf der einstigen Ideale des Sports und dem Niedergang jeglichen Anstands profitieren. Eine Binsenweisheit bewahrheitet sich immer wieder: Wes Brot ich eß, des Lied ich sing...