Kuchen und LSD

von Eugen Egner

Foto © Wien Tourismus
Kuchen und LSD
 

Nun komme ich zur Schilderung eines Telephongespräches, das ich kürzlich mitangehört und, weil ich fand, daß es die Leserschaft dieses Organs stark interessieren dürfte, zum Zwecke der Veröffentlichung notiert habe. Die Telephonierenden werde ich, da ich ihre Namen nicht kenne, originellerweise A und B nennen.
A fragte B: „Wo bist du denn gerade?“, worauf B antwortete: „In einem Café. Mit dir.“ Diese Mitteilung entzückte A: „Mit mir? Oh! Grüß schön!“ Umgehend tat B, wie ihm geheißen und sagte zu der Ausgabe von A, die bei ihm im Café saß: „Ich soll schön von dir grüßen.“ „Oh, danke“, erwiderte die Gegrüßte, „grüß bitte zurück.“ Und das tat B sogleich: „Ich soll dich auch grüßen“, bestellte er seiner Telephonpartnerin. „Danke, das ist nett“, sagte diese und erkundigte sich sodann: „Esse ich Kuchen?“ „Ja“, bestätigte B, „Kirschkuchen. Die jungen Leute, die das Café betreiben, backen ihn selbst.“ „Schmeckt der?“ fragte A. „Oh ja, sehr gut“, schwärmte B, „das muß man wirklich sagen.“ Zur Bekräftigung seines Urteils zog er die mit ihm im Café sitzende Version von A heran: „Dir schmeckt er doch auch, oder?“ Umgehend hieß es affirmativ: „Ja, ja, sehr gut! Prima Kuchen!“
Nun unterhielt sich B weiter mit A am anderen Ende der Leitung: „Der Kellner ist aber auch gut.“ „Wirklich ein ulkiger Typ“, pflichtete A’s Café-Version bei. „Wieso? Was macht er denn?“ wollte A wissen. B sagte: „Hör selbst“ und hielt den Taschenfernsprecher in den Raum. A hörte, wie der Kellner voller Stolz sprach: „Sie wundern sich sicher, daß die Kuchenversorgung so großartig funktioniert, aber die Wahrheit ist, daß das Küchenpersonal zahlreicher ist als die Gäste. Das ist die Voraussetzung für jede Gastronomie. Wünschen Sie noch etwas Kuchen? Der ist so gut, daß Sie von ihm träumen werden!“ Bevor B etwas äußern konnte, schrie ein anderer Gast: „Kellner! Mehr Kuchen! Schnell!“ Alarmiert gab der Kellner zu verstehen: “Entschuldigen Sie bitte, man ruft mich!“ Daraufhin entfernte er sich und rief mit verstellter, ganz hoher Stimme in die Küche: „Achtung, Achtung! Dringender Notfall an Tisch drei!“ Dann wandte er sich dem notleidenden Gast zu, stellte blitzschnell eine Diagnose: „Ich sehe schon, hier müssen wir Erste Kuchen-Hilfe leisten!“ Die übrigen Gäste lachten, auch B und die im Café sitzende Ausgabe von A lachten. Aus dem Telephon ließ sich A hören: „Wie albern!“ Dies vernehmend, sorgte sich B: „Dafür bist du nicht zu begeistern, wie?“ „Nein“, sagte A. „ Mich beschäftigen andere Dinge, nämlich die Ausgrabungen am früheren Standort des Hauses, in dem ich zum ersten Mal LSD nahm.“ B wunderte sich: „Ich möchte wissen, was die da ausgraben wollen.“ „Vielleicht das Haus, das früher mal da stand?“ vermutete die Café-Ausgabe von A. Zufällig wurde der Kellner Zeuge dieses Gesprächs und mischte sich ein: „Nein, das Haus, von dem Sie sprechen, steht heute in einem Freilichtmuseum, das Gebäude versammelt, in denen sich bedeutende Drogenvorfälle ereignet haben.“ „Also laß uns dort sein,“ forderte A., „in dem Haus!“ „Ich kann Sie mit dem Café hinfahren“, bot der Kellner an, “es hat einen umweltfreundlichen Kuchenantrieb.“ Dann wurde aufgelegt.


© Eugen Egner