Das Hörbuch des Jahres 2008: "Carl Biebighäuser - ein edler Räuber"

Noch einmal mit Vergnügen gehört

von Frank Becker
Biebighäuser & Cie

Signalement: "Biebighäuser, von mittlerer Statur, untersetzt, hat ein glattrasiertes und scharf markiertes Gesicht, dicke Lippen und ein stupides Aussehen. Er ist der Häßlichste und Unansehnlichste der ganzen Bande, und nur wenn er spricht, was sich so fließend anhört, als wenn ein sozialdemokratischer Agitator von Profession loslegt, wenn er spricht, funkeln seine Augen und beleben sich seine sonst so todten und matten Züge".

Carl Biebighäuser hat wirklich gelebt, gestohlen, eingebrochen, geraubt. Geboren war am 3. Dezember 1842 in Barmen, gestorben ist er am 18. Mai 1900 daselbst. Der Sohn einer Hasplerin, der selber im Wupper- Tal den Beruf des Färbers erlernte, wurde in den 1870er Jahren
zu einem Briganten, zum im Volksmund und den Gazetten idealisierten Verbrecher in der Tradition eines Goethe´schen Götz von Berlichingen, eines Robin Hood und Schinderhannes des beginnenden Industriezeitalters, der allerdings wie seine Kumpane recht gut von seinen Beutezügen lebte, wiewohl er vieles Geraubte den Armen gab.

"Biebighäuser & Compagnie" nannte er mit einer gewissen Chuzpe seine wohlorganisierte Diebes- und Räuberbande, mit der er unter den Kaufleuten und Pfeffersäcken der Region zwischen Barmen und Neviges, Eberfeld, Schwelm und Altena Schrecken verbreitete. "Visite" nannten sie die Einbrüche und Raubzüge, und die Auseinandersetzung mit der Polizei, wobei mitunter auch Kugeln pfiffen, scheuten die Halunken nicht. Es war eine schmutzige, bedrückende Stadt, dieses Barmen der Mitte des 19. Jahrhunderts, als kein Tropfen klaren Wassers mehr im Flüßchen Wupper zu finden war, weil die Färbereien und die Eisenbahn ihre Abwässer und Aschen ohne jede Rücksicht einleiteten. Rudolf Herzog beschreibt das eindrücklich in seinem Roman "Die Wiskottens", aus dem Textauszüge verwendet werden. Einige Bürger hatten sehr viel Geld und dadurch Macht, viele andere hatten nichts. Auf einem solchen Boden konnte die Legende vom edlen Räuber prächtig gedeihen.

Biebighäuser wurde mehrfach festgenommen, verurteilt, ins Gefängnis eingesperrt, gar ausgewiesen. Doch aus dem fernen Amerika kam er schließlich nach Barmen zurück, wo er den Rest seines Lebens als Gemüsehändler verbrachte. Der Schauspieler Olaf Reitz hat die recht skurrile, wenn auch durchaus handfeste Geschichte des Räubers Biebighäuser aus Unterlagen der Archive von Stadt und Historischem Zentrum zu einem höchst unterhaltsamen und bestens recherchierten Hörspiel verarbeitet, für dessen Umsetzung er einerseits einige der besten Sprecher, zum anderen eine Vielzahl prominenter Wuppertaler Bürger für Nebenrollen gewinnen konnte.

So hören wir auf der CD die Stimmen von u.a. Peter Jung (Oberbürgermeister), Hans Kremendahl (ehemaliger Oberbürgermeister),
Dr. Gerhard Finckh (Direktor des Von der Heydt-Museums), Monika Heigermoser (Leiterin Kulturbüro), Dietmar Bell (ver.di-Geschäftsführer), Peter H. Vaupel (Vorstandsvorsitzender der Stadtsparkasse), Dr. Johannes Slawig (Stadtkämmerer) und Petra Lückerath ("die börse"). Dirk Raulf hat gesungen und ich habe mit wachsendem Vergnügen mittlerweile dreimal das ganze Hörspiel angehört. Selten wurde ein so lebendiges, humorvoll-realistisches Portrait einer Zeit und einer Person in einer solch schwierigen Zeit geschaffen. Sicher auch für jeden historisch interessierten Hörer in anderen Teilen Deutschlands ein Genuß.

Ach ja: die Musik! Tim Buktu trägt mit der zum Hörbuch kreierten Musik einen wesentlichen Teil zum perfekten Gelingen bei. Neben den Erzähler-Stimmen Caroline Keufens und Olaf Reitz´ das dritte Fundament fürs Gelingen dieses prallen Hörvergnügens.
Für mich auch 2009 noch immer das Hörbuch des Jahres 2008 und mit einem Musenkuß weiterhin eine Empfehlung der Musenblätter-Redaktion!
 
Beispielbild
Cover: Maurycy

Bergische Geister
Carl Biebighäuser - Ein edler Räuber

Hörbuch

Produziert von Tim Buktu & Olaf Reitz
(P) + © 2007 Manufaktur Media

Es sprechen:
Caroline Keufen  -  Erzählerin
Paul Decker  -  Carl Biebighäuser
Olaf Reitz  -  Erzähler der historischen Quellen
Krippendorf  -  Reinhard Schiele

Musik: Tim Buktu

Gesamtspieldauer:  51:40

Weitere Informationen unter:
www.bergischegeister.de