„Diät ist Mord am ungegessenen Knödel!“

Wiglaf Droste & Vincent Klink - "Wir schnallen den Gürtel weiter"

von Jürgen Kasten
Wir schnallen den Gürtel weiter!
 
Warum? Damit mehr reinpaßt. Es wird nämlich gekocht. Gerne mit Butter und Sahne, so wie ich es auch liebe. Dagegen liebe ich überhaupt keine Kochshows im Fernsehen. Zum einen, weil man mich nicht mitessen läßt, zum anderen, weil das beiläufig Gequasselte diverser Moderatoren langweilt. So ist mir zwar Vincent Klink als Koch ein Begriff gewesen (obwohl nie gesehen), sein weiteres Tun mir bis heute aber weitestgehend unbekannt geblieben. Mit freudigem Erstaunen nehme ich wahr und tue es hier allen kund, daß Vincent Klink ein respektabler Literat ist, gar als Herausgeber für die „Edition Vincent Klink, Stuttgart“ zeichnet und zwar zusammen mit Wiglaf Droste. „Häuptling Eigener Herd“ heißt die seit 1999 vierteljährlich erscheinende Köstlichkeit, zu beziehen über „BuchGourmet, Köln“. Als Mitautoren und Zeichner verpflichten Droste & Klink regelmäßig die Oberliga deutscher Schreib-, Dicht- und Witzkunst.
 
Nun hat der Reclam Verlag eine Essenz aus "Häuptling Eigener Herd" zusammengestellt, ausschließlich mit den Autoren Droste/ Klink. Zeichner sollte unbedingt F.K. Waechter sein  - und ist es nun auch. Doch es war schwierig, ihn zu gewinnen. Vincent Klink schildert in „Markab, Scheat und Algenib“ die Überredungskünste, nennen wir sie ruhig Bestechung. Klink gibt alles zu: „An Tisch sieben kamen infam gewichtige Weine zum Einsatz. Ein Hinterhalt nach dem anderen wurde gelegt, angefangen bei Pâte´de Cailles, über Taschenkrebse zu Trüffeln und geheimnisvollem Gänselebersoufflee.“
 
Was wird uns nun von Droste, Klink (und Waechter) in „Wir schnallen den Gürtel weiter“ aufgetischt: Satiren, ein Gedichtband, ein Kochbuch, feine Comics? Alles. Die Zutaten sind bunt gemischt. Da widmet Wiglaf Droste sich Bioläden der ersten Generation. An Konfirmandenunterricht erinnert ihn das Einkaufen dort: „Man fühlt sich ständig ertappt“, weil mißtrauisch beobachtet, ob man denn wirklich dem Kreis der wahren Biokundigen angehört. An anderer Stelle serviert er dem Schlankheitswahn ein Gedicht „Diät ist Mord am ungegessenen Knödel!“.
Launig erzählt Vincent Klink von einem Frühstück am Frankfurter Flughafen und warum er kein „Quälhuhn-Ei“ essen mag (Blues in Frankfurt oder: kein Ei geht nicht). Naturidentische Aromen, industriell hergestellter Fraß, computergesteuerte Küchentechnik – das alles ist ihm ein Greuel. Geduldig, aber unterhaltsam bis witzig erläutert er uns, daß gute Nahrungsmittel auch gutes Geld kosten müssen. Das gleiche gilt für gute Restaurants.
 
„Kochen ist, trotz des Boheis, der darum veranstaltet wird, überhaupt nichts Elitäres“, weiß Wiglaf Droste; aber trotzdem nichts für Aldi-, Lidel-, Penny- oder sonstwieheißende Billigsupermarktkäufer. Auch nicht für McDoofkunden. Mit beißender Satire geißelt Droste die Nahrungsmittelverschandelungsindustrie und kreiert dafür noch gewaltigere Wortschöpfungen. Vincent Klink steht ihm an Bösartigkeit in nichts nach: „Wer München besucht, dem empfehle ich, auch wenn er nicht japanisch spricht, sich das Hofbräuhaus anzugucken. Der traditionsschwangere Boden dort ist wie der eines Viehstalls konstruiert: Unter den Tischen verlaufen die Pissrinnen…“. Er nimmt uns aber auch ganz ernsthaft journalistisch die Illusion vom „extra nativen kaltgepressten Olivenöl“ (Heute noch Sonnenblumen, morgen schon Olivenöl).
 
Wiglaf Droste bringt feinsinnige Metaphern zum Thema Brot aufs Papier (Knust oder Knifte) und Vincent Klink schließt sich mit vielerlei Brotrezepten und Rezepten mit Brot an. So folgt ein Gang dem anderen und man wird nicht satt, kann sich aber zwischendurch zurücklehnen, an den nicht minder satirischen Zeichnungen F.K. Waechters erfreuen und manch schwer Verdauliches erst einmal sacken lassen.
Wer sich seine Vorurteile gegen die Nahrungsmittelindustrie bestätigen lassen will, der ist hier richtig; aber auch die Freunde absurder Dichtkunst, der bissigen Satire, der innovativen Kochkunst und sogar die, die nur ein paar interessante Rezepte suchen.
Beispielbild

Wiglaf Droste & Vincent Klink
Wir schnallen den Gürtel weiter

Eine Essenz aus Häuptling Eigener Herd

Mit Zeichnungen von F.K. Waechter

© 2008 Reclam Taschenbuch  20158

314 Seiten, Broschur
ISBN 978-3-15-020158-9
€ 9,90
 
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